Aus Mof wird hip: Hollands neue Liebe zu den Deutschen
Amsterdam (dpa) - Lange waren Deutsche Hassobjekt Nummer eins der Niederländer. Heute ist das anders: Wer zum Thronwechsel nach Amsterdam reist, wird wohl mit offenen Armen empfangen.
Die Niederlande haben traditionell zwei Feinde: das Wasser im Westen und die Deutschen im Osten. Die Nordsee haben sie mit Deichen und Pumpen im Griff. Und die Menschen aus dem großen Nachbarland umarmen sie neuerdings liebevoll. Die Zeiten, dass die Deutschen die Lieblingsfeinde waren, sind vorbei.
Deutsche Königshaus-Fans, die zum Thronwechsel am 30. April nach Amsterdam kommen, werden wohl nicht mehr mit „Mof“ (Scheißdeutscher) begrüßt.
Im Gegenteil: Deutsche werden mit Lob überschüttet. Sie gelten als freundlich, höflich, sie haben leckeres Essen, und Fußball spielen können sie auch noch. Es ist fast zum Rotwerden.
Das war lange anders. Als die damalige Kronprinzessin Beatrix 1965 ausgerechnet mit einem Deutschen nach Hause kam, war die Empörung groß. Die Erinnerung an die schweren Jahre der deutschen Besatzung von 1940 bis 1945 war noch lebendig.
Die Niederländer schlossen dann ihren Prinz Claus schnell ins Herz. Auch politisch und wirtschaftlich verstand man sich bestens. Doch dann kam der 7. Juli 1974.
Das Finale der Fußballweltmeisterschaft trieb einen Keil zwischen Frau Antje und Herrn Mustermann. Deutschland besiegte Oranje mit 2:1. Die Niederländer fühlten sich von der einstigen Besatzungsmacht erneut betrogen.
„Wir waren die Besten“, meinen bis heute viele und nicht nur Fußball-Fans. „Es war die zweite entscheidende Niederlage gegen Deutschland in einem Jahrhundert, die den Niederlanden ein Trauma zugefügt hat“, sagt der niederländische Historiker Hermann von der Dunk.
14 Jahre später kam die Revanche. Oranje besiegte die deutsche Elf im EM-Halbfinale und wurde auch Europameister. Der Jubel im Oranje-Land war groß, doch der Krieg auf dem Rasen endete damit nicht.
Das bewiesen unschöne Szenen: Ronald Koeman wischte sich 1988 mit dem gerade getauschten deutschen Shirt symbolisch den Hintern ab. Zwei Jahre später bespuckte Frank Rijkaard, das „Lama“, Rudi Völler.
Auch außerhalb des Fußballfeldes blieben die Vorurteile hart und hartnäckig: Deutsche sind autoritär und kriegslüstern. Sie gehen zum Lachen in den Keller und graben Kuhlen am Strand. Dass sie auch noch die holländischen Tomaten als „Wasserbomben“ verschmähten, verbesserte die Stimmung auch nicht gerade.
Doch heute sind die „Kuilengraver“ von einst hip. Die Wende kam mit der Wende. Niederländer wurden neugierig auf das neue Deutschland, erinnert sich Philip Remarque, Chefredakteur der Zeitung „de Volkskrant“ und viele Jahre Berlin-Korrespondent. „Früher war es schick, gegen Deutsche zu sein.“
Mit dem Sommermärchen von 2006 kam dann auch fast schon die Liebe. Zehntausende Niederländer reisten zur Fußball-WM ins Nachbarland und stellten verblüfft fest, dass die Deutschen „gezellig“ feiern konnten und - nicht ganz unwichtig - auch noch traumhaften Fußball spielten. Heute gilt „deutsch“ als Prädikat: für Leberwurst, Urlaubsland oder auch Angela Merkels Haushaltsdisziplin.