Unkonventionelle Poesie Die Postkartenschreiberin

Stuttgart (dpa) - „Wetter gut, Essen lecker.“ So lesen sich die meisten Postkarten. Die von Sabine Rieker sind anders. „Danke fürs Sein ganz allgemein“, ist darauf zu lesen, oder „Für mich bist du ein Alltagsheld“.

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Die Stuttgarterin ist Postkartenschreiberin - und was andere im Urlaub tun, macht sie hauptberuflich. Mit der klassischen Ansichtskarte hat das nichts mehr gemein. Ein Besuch zum Welttag der Poesie (21. März). „Die meisten bekommen gerne Postkarten, aber schreiben nicht gerne welche“, sagt die 30-Jährige. Bei ihr sei das anders. „Ich tobe mich schon im Adressfeld aus und gestalte das schön.“ Fast überflüssig zu erwähnen, dass sie Briefmarken nicht in das dafür vorgesehene Kästchen klebt. „Durch das verschnörkelte Adressfeld sind sie auch mal einen Tag länger unterwegs.“ Eine ganze Rolle mit Marken trägt sie immer bei sich, wie sie sagt. Die Wände im Flur ihrer WG sind mit Postkarten beklebt.

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Aber wer beauftragt jemanden, ihm eine Postkarte zu schreiben - und ist bereit, Geld dafür auszugeben? Begonnen, erzählt Rieker, hat alles in Bonn, wo sie damals wohnte. Um auszumisten, habe sie in einem Café gesammelte Postkarten an Freunde und Bekannte geschrieben - auch an den Besitzer des Cafés. Der wünschte sich ein Abo: „Du schreibst mir Postkarten und ich gebe dir etwas dafür“, sagt sie.

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Zunächst sei sie mit Cappuccino bezahlt worden, von einem befreundeten Künstler auch mit einer Essenseinladung. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass sich damit Geld verdienen lässt.“ Studiert hat Rieker Germanistik und Kunstgeschichte. Inzwischen veranstaltet sie Postkarten-Lesungen - und Menschen zahlen ihr auch mal 50 Euro für eine Karte. „Es gibt bis heute keinen Festpreis“, sagt sie. „Ich überlasse es dem Gegenüber, was es ihm wert ist.“

Fester Auftraggeber sei etwa eine Segelschule. Teilnehmer eines Segelkurses bekommen von ihr personalisierte Erinnerungspostkarten. Auch Ferienhäuser zum Schreiben habe sie schon angeboten bekommen. Viele bestellten eine Postkarte für sich selbst, aber auch Freunde und Familie würden häufig damit bedacht. Rieker macht das hauptberuflich, vier bis fünf Stunden am Tag, wie sie sagt.

Etwa 210 Millionen Postkarten werden nach Zahlen der Post jährlich befördert, davon 57 Millionen in den drei Sommermonaten. Rieker selbst kommt nach eigenen Schätzungen auf 1800 im vergangenen Jahr, in dem sie so richtig mit dem Schreiben losgelegt hat. Kein Wunder, dass ihr inzwischen sogar der Vorstand der Deutschen Post geschrieben hat, wie eine Karte in ihrer Sammlung belegt.

Die Postkarte selbst gibt es seit 1870. Ähnlich wie Riekers Karten sei sie auch anfangs zur Kommunikation genutzt worden, erklärt Veit Didczuneit, der beim Museum für Kommunikation in Berlin für Brief- und Schreibgeschichte zuständig ist. „Als kostengünstiges Mittel zum Austausch des kleinen Mannes.“ Inzwischen sei die Postkarte als Kommunikationsmedium zwar nur noch etwas für Liebhaber. „Mittlerweile ist es aber so, dass es immer Retro-Bewegungen gibt.“ Ähnlich wie dem Brief mache das Internet allerdings auch der Postkarte zu schaffen.

Für die Postkartenschreiberin schließen sich die beiden Medien nicht aus. Auf Instagram stellt sie Fotos ihrer beschrifteten Postkarten ins Netz - und verbindet so virtuelle und haptische Grüße. Zudem archiviert sie die Karten damit für sich. Rieker lächelt: „Dabei wird oft gesagt, dass Digitales weniger haltbar ist als Papier.“

Aber wie schreibt man nun eine gute Postkarte? Fragen stellt Rieker zum Beispiel durchaus auf Postkarten. „Mal stelle ich sie mir, mal der Person“, erzählt sie. „Empfänger sagen mir, dass sie merken: Du hast mir an einer bestimmten Stelle zugehört, du hast dir Gedanken über mich gemacht, du nimmst dir Zeit für mich“, sagt die Fachfrau, die sich sogar auf ihr WG-Zimmer mit einer Postkarte beworben hat. „Ich glaube, das kommt an. Gerade in der heutigen Zeit.“