„Einsamer Hirte“: Leo Rojas wurde „Das Supertalent“
Köln (dpa) - Vor kurzem spielte er noch für ein paar Cent in deutschen Fußgängerzonen, jetzt ist Leo Rojas (27) aus Ecuador das „Supertalent 2011“ und um 100 000 Euro reicher.
Mit knapp 32 Prozent der Zuschaueranrufe gewann der Indianer die RTL-Castingshow am Samstagabend vor Kuschelsänger Sven Müller (46) und dem sechs Jahre alten Klavierspieler Ricky Kam. Die Sendung, „der Höhepunkt des RTL-Fernsehjahres“, wurde durchschnittlich von 6,45 Millionen Zuschauern verfolgt - es waren schon mal deutlich mehr.
Rojas hatte im Finale auf den Panflötenklassiker „Der einsame Hirte“ gesetzt. Nun bekommt er einen Plattenvertrag bei Dieter Bohlen, der das Konzept als „Winnetou meets Enigma“ umschreibt. Von dem Preisgeld will der Sieger seiner Familie in Südamerika ein kleines Haus bauen. Erstmals seit sieben Jahren hatte er seine Mutter im Halbfinale wieder in die Arme schließen können - RTL hatte Flugtickets gesponsert.
So schien es fast, als wäre schon Heiligabend, und man sähe wie wie jedes Jahr „Der kleine Lord“ oder „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Denn auch in diesem Rührstück ging es schließlich darum, wie Obdachlose, Glücksuchende oder Verstoßene auf wundersame Weise emporstreben, bis sie der schöne Prinz Marco Schreyl mit den Worten anmoderiert: „Willkommen auf der Erfolgsseite des Lebens!“ Die Sendung, so Bohlen, sei „gerade dafür da, den Leuten eine zweite Chance zu geben“.
Dabei gilt: Wer beim „Supertalent“ groß rauskommen will, sollte eine tragische Lebensgeschichte vorweisen können. Welche Tränenströme flossen da nicht für viel zu früh verstorbene Großmütter, renitente Enkel und vorzeitig abgebrochene Fußballkarrieren. Der Sänger Mark Ashley enthüllte unter Schluchzen, wie er als Kleinkind halb verhungert zur Adoption freigegeben worden war - heute verehrt er Dieter Bohlen als Gott. „Du lebst dein Trauma“, kann man da nur mit Jurorin Sylvie van der Vaart sagen.
Angesichts so viel menschlichen Elends war selbst der ganz in Weiß gekleidete Bohlen mehrfach „sehr gerührt am Herz“ und lobte in einem fort. Nur einmal hatte man kurz das Gefühl, in einem anderen Weihnachtsstück zu sein: Den Pianisten Jörg Perreten kanzelte Bohlen dermaßen ab, dass er dem Dickens-Ekel Mr. Scrooge Ehre gemacht hätte. „Wenn man sich sechs, sieben Mal in so einem Finale verknallt und das echt böse, und sich verspielt, dann hat man in so einem Finale nix zu suchen. Ich fand das echt schlecht!“ Wütend rauschte der junge Mann mit dem roten Irokesenschnitt daraufhin von der Bühne.
Es war also ein Wechselspiel von Glück und strenger Heimsuchung. Aber am Ende standen alle lächelnd um die Jury herum. Und die Zuschauer konnten an einen Satz zurückdenken, den der Bohlen-Verehrer Mark Ashley an diesem Abend geprägt hatte: „Es sind wirklich alle Menschen gut auf dieser ganzen Welt.“