Fuchsbergers „Zielgerade“ - „Altwerden ist scheiße“
München (dpa) - Joachim Fuchsberger hat viel erlebt. Eine Kindheit unter Hitler, als 16-Jähriger zum Kriegsdienst eingezogen, dann Gefangenschaft, nach 1945 sein Aufstieg in Film und Fernsehen und lange Jahre in Australien.
Seit fast 60 Jahren ist der 87-Jährige mit der Schauspielerin Gundula Korte verheiratet. Affären? Keine bekannt. Alles bestens - bis zum Oktober 2010, als Sohn Thomas mit 53 Jahren ertrinkt. Ein Schicksalsschlag, den das Paar bis heute nicht verwunden hat. „Die Gedanken an ihn erfüllen uns jeden Tag, jede Nacht“, schildert „Blacky“ Fuchsberger in seinem autobiografisch gefärbten Buch „Zielgerade“, das er am Freitag in München vorstellte und das einen eher pessimistischen Blick auf das Leben heutzutage wirft.
Rund vier Jahre nach seinem Werk „Altwerden ist nichts für Feiglinge“ sinniert der Schauspieler und Showmaster in seinem neuen Buch über den Zustand der Welt, vor allem der politischen. Er macht sich auch Gedanken über das Alter („Altwerden ist scheiße.“) und streut Anekdoten und Erinnerungen aus seinem Leben ein.
Sein Fazit ist kein Gutes. Fuchsberger, der von Juni als „grantiger, böser, alter Mann“, wie er sagt, für einen Fernsehfilm vor der Kamera stehen will, meint: Die Menschen in Deutschland haben jedes Maß verloren. „Sicher scheint mir, dass sich bei allen eine gewisse Großmannssucht breitmacht. Viele scheinen zu glauben, die Bundesrepublik sei eine Weltmacht“, bemängelt er und rät: „Wohl oder übel, wir sollten anfangen, kleinere Brötchen zu backen, bevor uns auf der Zielgeraden der Dampf ausgeht“.
Roter Faden der 33 Kapitel ist die Bundestagswahl im Herbst 2013 und das anschließende zähe Ringen um eine Koalition, das Fuchsberger in verschiedenen Facetten immer wieder kommentiert, mit bisweilen leicht polemischem Unterton. An den Machthabenden lässt er kaum ein gutes Haar, vor allem nicht während des Wahlkampfes: „Es ist also eine Zeit, in der wir Bürger von unseren Politikern belogen werden, dass sich die Balken biegen“.
Den Grünen empfiehlt er wegen der Kampagne zum Veggie-Day: „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker nach Pillen, die die Gehirnzellen anregen“. Auch das Berliner Flughafendebakel und die Affäre rund um die Beschäftigung von Familienangehörigen im Bayerischen Landtag greift er auf. Die Wirkung auf die Bürger sei fatal, merkt er an. „Unzufriedenheit, wohin man schaut oder hört.“
Auch einen Schwenk auf die Nazi-Vergangenheit seines Vaters gibt es, der als Funktionär im nationalsozialistischen Kraftfahrkorps NSKK viele Ausflüge organisierte. Fuchsberger erinnert sich gern an diese Zeit, konnte als Kind die Rolle seines Vaters aber noch nicht so recht einordnen. „Was er wohl dachte, als zur gleichen Zeit vor seinen Augen jüdische Schaufenster beschmiert und zerschlagen, die Geschäfte boykottiert wurden? Wir haben uns nie darüber unterhalten“, gibt der Schauspieler zu.
Immer wieder nimmt der 87-Jährige auch seine Altersgebrechen aufs Korn. „Auf vier verschiedenen Intensivstationen kommen einem viele Bilder und viele Gedanken, auch dumme“, bekennt er gleich zu Beginn. „Mein Verfallsdatum ist längst überschritten und ein paar deutliche Vorwarnungen sind schon bei mir eingegangen.“
Innige Worte findet er für seine Frau, die er „meine Regierung“ nennt und der er das Buch gewidmet hat: „Wir haben nichts ausgelassen, kein Kelch ist an uns vorübergegangen. Wir teilten höchstes Glück und tiefste Verzweiflung. Wir haben uns gegenseitig an die Hand genommen, Hilfe beieinander gesucht und gefunden“.
Die Frage „Wer verlässt wen zuerst?“ bewege sie beide. „Wenn einer von uns beiden den Löffel abgibt, dann hoffe ich, dass ich das bin“, sagt Fuchsberger bei der Buchvorstellung. Für ihn ist klar: „Ich würde es nicht lange ohne sie aushalten, würde alles tun, um ihr so schnell wie möglich zu folgen“. Und was macht das Paar, bis es soweit ist? Immer öfter sitze er mit Gundel auf einer Bank im Garten, schreibt Fuchsberger am Schluss seines Buches. „Wir spielen Philemon und Baucis und warten Hand in Hand auf das, was da wohl noch kommen mag.“