Nach der Verurteilung des Dinslakeners Nils D. IS-Terrorist: "Nach dem Freitagsgebet wurde geköpft"
Der Dinslakener Nils D. hat in einem Sturmtrupp des Islamischen Staats in Syrien sein Unwesen getrieben. Als Kronzeuge sicherte sich der IS-Terrorist einen erheblichen Strafrabatt. Aber ist er wirklich geläutert?
Düsseldorf. Der Prozess ist beendet, doch die Mutter von Nils D. sitzt wie versteinert auf ihrem Platz im Zuschauerraum. Eben hat sie anhören müssen, was ihr Sohn in Syrien monatelang getrieben hat. Wie er Hinrichtungen auf einem Marktplatz beiwohnte, die Menge „Allahu akbar“ („Gott ist groß“) jubelte, wenn der Henker sein grausiges Werk verrichtet hatte. „Nach dem Freitagsgebet wurde geköpft“, schildert die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza.
Das Düsseldorfer Oberlandesgericht verurteilt den 25-Jährigen am Freitag als IS-Terroristen zu viereinhalb Jahren Haft und betont: „Die Strafe wäre ohne Geständnis weitaus höher ausgefallen.“
Vermummt und mit einer Kalaschnikow bewaffnet war der arbeitslose Hauptschulabsolvent aus Dinslaken in Syrien regelmäßig im Morgengrauen im sogenannten „Sturmtrupp“, einer Spezialeinheit des IS, ausgeschwärmt, um vermeintliche Spione und Deserteure zu verhaften. Er selbst hatte berichtet, wie die Frauen kollabierten und die Kinder schrien, wenn er die Männer aus den Häusern zerrte.
Die Verhafteten brachte er in Gefängnisse, deren Folterkammern er im Gerichtssaal beschrieb: 20 Gefangene an Stangen unter der Decke aufgehängt, oder in Kästen gepfercht, wo sie tagelang in ihrer eigenen Notdurft ausharren mussten. Bis in seine Unterkunft bekam er Tag und Nacht mit, was dort vor sich ging: „Die Schreie der gefolterten Gefangenen konnte der Angeklagte hören“, sagt die Richterin.
Einmal verscharrte er eine Leiche - vermutlich ein Folteropfer - auf einer Müllkippe. Ein Komplize aus Deutschland posierte mit einem abgeschlagenen Kopf an einem Kreisverkehr für ein Foto, danach geht man Essen. D. selbst ist auf einem Foto zu sehen, wie er einem Gefangenen lachend eine Pistole an den Hinterkopf hält. Einige Bilder hatte er auf seinem Handy gelöscht, doch im Landeskriminalamt können sie wieder sichtbar gemacht werden.
Dabei hatte Nils D. mit Religion zunächst nichts am Hut. In Dinslaken nimmt er Drogen, stiehlt. Er hat Einträge ins Strafregister wegen Beleidigung, Bedrohung, Körperverletzung, Diebstahl. Für den Einbruch in eine Bäckerei bekam er schließlich acht Monate Haft. Während seiner Zeit als IS-Terrorist steht er sogar noch unter Bewährung.
Mit seinen Aussagen habe er zwölf Komplizen belastet und mitgeholfen, fünf Haftbefehle zu erwirken, hatte die Bundesanwaltschaft ihm zugute gehalten. D. nennt die Namen der Islamisten, die ihm in Syrien über den Weg laufen: aus Dinslaken, Mönchengladbach, Solingen, Wolfsburg.
Aber steckt dahinter ehrliche Reue, oder ist seine Distanzierung ein Lippenbekenntnis? Dies habe den Senat sehr beschäftigt, verrät die Richterin. Die abgehörten Gespräche des Salafisten noch unmittelbar vor seiner Festnahme im Januar 2015 sprechen eine beunruhigende Sprache. Er rühmt einen Selbstmordattentäter: „Der liebe Gott belohnt ihn mit dem Märtyrertod - das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.“
Der Konvertit hat sich zudem in Syrien auf eine „Europa-Liste“ des Islamischen Staats setzen lassen: „Es sprechen einige Anhaltspunkte dafür, dass er mit einem Auftrag des IS nach Deutschland zurückgekehrt sein könnte“, sagt Havliza.
Doch mit seinem Geständnis habe er aus Sicht des IS „Verrat begangen“, was eine Rückkehr in dessen Reihen ausschließen dürfte. Schließlich musste der Dinslakener miterleben, wie sein Vorgesetzter in Syrien wegen eines weit geringeren Vergehens getötet wurde.
Vom ganzen Ausmaß der Gräueltaten des IS habe er erst aus den Gerichtsakten erfahren, hatte der Angeklagte in seinem Schlusswort beteuert. „Die schneiden Babys die Kehle durch und lassen die Eltern dabei zusehen.“ Er wolle mit diesen Leuten nichts mehr zu tun haben.
Nun möchte D. in ein Aussteigerprogramm. Den Antrag seiner Verteidiger, ihn nach 14 Monaten Untersuchungshaft erst einmal auf freien Fuß zu setzen, lehnt das Gericht ab: Er stehe erst am Beginn seiner „De-Radikalisierung“. Zu leicht könnte er erneut „in salafistische Kreise geraten und untertauchen“. Die Kontakte dafür habe er jedenfalls. (dpa)