Studie Jeder dritte Bürger fühlt sich diskriminiert

Umfassende Studie zur Benachteiligung im Alltag. Arbeitswelt besonders betroffen.

Studie: Jeder dritte Bürger fühlt sich diskriminiert
Foto: Britta Pedersen

Berlin. Nicht nur Minderheiten werden im Alltag diskriminiert. Immerhin fast jede Dritte hat nach einer wissenschaftlichen Erhebung in den letzten zwei Jahren in Deutschland eine Benachteiligung erlebt. "Diskriminierung ist alles andere als ein Nischenthema", sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, gestern bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Nachfolgend die wichtigsten Erkenntnisse im Detail:

Seit zehn Jahren ist in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AAG) in Kraft. Demnach darf kein Mensch wegen seiner ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, wegen einer Behinderung, seines Alters, Geschlechts oder sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Bei Verstößen besteht ein Schadensersatzanspruch. Betroffene können bei der Antidiskriminierungsstelle erfahren, ob die Bestimmungen des AAG tatsächlich auf sie zutreffen, und welche Hilfe möglich ist.

31,4 Prozent der Menschen in Deutschland haben in den letzten zwei Jahren nach eigenen Angaben eine Diskriminierung erfahren. Fast die Hälfte davon (48,9 Prozent) im Arbeitsleben. Hauptsächliche Gründe sind das Alter und das Geschlecht. 8,8 Prozent der Befragten gaben Benachteiligungen aufgrund von Religion oder Weltanschauung an, 8,4 wegen ihrer ethnischen Herkunft und 7,9 Prozent wegen einer Behinderung. 2,4 Prozent fühlten sich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt.

Nach wie vor gibt es zum Beispiel Stellenanzeigen, in denen nur Bewerber zwischen 20 und 30 Jahren erwünscht sind. Ein Verstoß gegen das Alterskriterium. Oder: Einer Frau wird ein besserer Job im Betrieb mit dem Hinweis auf ihre Familiengründung verweigert - eine Benachteiligung wegen des Geschlechts. Oder: Eine Frau mit Kopftuch wird im Fitnesscenter abgewiesen. Das ist eine Diskriminierung aufgrund ihrer Religion. Es gibt aber auch Grenzen: So ist es zum Beispiel rechtens, wenn ein kirchlicher Arbeitgeber die Konfessionszugehörigkeit zur Bedingungen für eine Anstellung macht. Oder wenn es heißt, "Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung besonders berücksichtigt".

Sechs von zehn Betroffenen nehmen eine Diskriminierung nicht einfach hin, sondern reagieren: Knapp 28 Prozent machen auf ihr Problem aufmerksam, indem sie zum Beispiel vom Arbeitgeber nähere Auskunft verlangen. Rund 14 Prozent nutzen Beratungsangebote. Allerdings reichen nur gut sechs Prozent Klage wegen ihrer Diskriminierungserfahrung ein.

Nein, meinte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle. Neben der Beratung und Information sei auch ein eigenes Klagerecht für Betroffenen-Verbände und die Antidiskriminierungsstelle notwendig. Zugleich sprach sich Christine Lüders für eine Erweiterung des gesetzlichen Kriterienkatalogs aus. Auch die soziale Herkunft oder die Übergewichtigkeit einer Person sollten als Merkmale aufgenommen werden.

Der Studie liegt eine repräsentative Befragung des Bielefelder Sozialforschungs-Institutes SOKO unter 1000 Personen über 14 Jahre zugrunde. Per Internet konnten zugleich alle in Deutschland lebenden Menschen ab 14 über selbst erlebte oder beobachtete Diskriminierungen berichten. Davon machten insgesamt 18.000 Menschen Gebrauch. Damit handelt es sich um die bislang größte Datenmenge zu diesem Thema. Eine abschließende Auswertung soll in einigen Monaten veröffentlicht werden. Nicht überprüfen lässt sich laut den Verfassern der Studie, ob es sich bei den Angaben der Betroffenen um Diskriminierung im juristischen Sinne handelt.