Klatschpappen: Früher wurde gezüchtigt, heute wird angefeuert
Die Tour de France ist vorbei. Die Retour le Tour kommt und bringt uns wieder das Geräusch der Klatschpappen mit. Die Anfeuerungshilfe aus faltbarer Pappe ist nicht etwa eine Erfindung kreativer Werbeleute, sondern damit wurde schon vor 500 Jahren Krach gemacht.
Düsseldorf. Die Klatschpappe gehört zu den Erfindungen, die genial, weil sie so einfach sind. Ein Stück Pappe in DIN A 3 Größe mit Falznuten versehen. Gefaltet erzeugt die Pappe beim Schlagen ein gut vernehmbares Geräusch. Bei Sportveranstaltungen wird die Klatschpappe gerne vom Veranstalter an Zuschauer verteilt, damit diese so richtig schön laut Stimmung erzeugen und den Sportler zu Höchstleistungen antreiben. Oftmals ist Werbung aufgedruckt, der Veranstalter lässt sich den Stimmungsmacher gerne von einem Sponsor bezahlen. So haben alle was davon. Veranstalter, Sponsor, Zuschauer und Sportler.
Doch wer meint, die Klatschpappe sei eine Erfindung kreativer Werbefachleute irrt ein wenig. Zwar sollen die Applausverstärker 2004 von einer großen Sportmarketingfirma zum ersten Mal in großer Zahl beim Spiel Hertha BSC gegen Bayer Leverkusen im Olympiastadion verteilt worden sein, der exakte Ursprung ist aber nicht belegt. Doch ab da machte die Klatschpappe ihren Siegeszug um die Welt. Beim Super-Bowl, dem Sportevent in den USA schlechthin wird sie sogar in XXL-Format verteilt. Groß, größer, Amerika eben. Das Geschäft mit den faltbaren Kartons läuft noch immer. Es muss auch nicht immer eine stadionfüllendes Ereignis sein. Ab zehn Stück sind die Anfeuerungshilfen im Internet erhältlich. Selbst der klitzekleine Verein kann so sein Publikum kostengünstig damit ausstatten.
Eigentlich ist das Schlaginstrument jedoch viel älter. Schon im 12. Jahrhundert wurde es erwähnt und hatte einen etwas anderen Zweck. Auch heute noch findet die Pritsche oder Klatsche, wie die Klatschpappe auch genannt wird, im Brauchtum und im Theater Verwendung und zwar in seiner heiteren Form. Bejubelt wird aber in diesen Fällen damit niemand.
Narren oder Spaßmacher unterhielten im frühsten Mittelalter auf Jahrmärkten das Volk. Mit der Pritsche verschafften sie sich laut Gehör und vermöbelten zum Spaß des Publikums auch schon mal nichts ahnende Bürger. Aus dieser mittelalterlichen Narrenfigur entwickelten sich verschiedene Zweige des Pritschenmeisters. Auf Schützenfesten sorgte er für Zucht und Ordnung und führte den Schützenzug an. Sie kamen weit rum, waren gebildet und schrieben ihre Eindrücke in Versen und Geschichten nieder.
Verloren gegangen ist im Laufe der Jahrhunderte die Verwendung des Wortes pritsch, als etwas, das weg oder fort ist. Denn mit der Pritsche wurden Halunken und Betrunkene auf Schützenfesten vetrieben. Wenn jemand gepritscht ist, so war er fortgejagt worden. Der Pritsch war ein mit einem Geräusch verbundener Schlag. (Wörterbuch der deutschen Sprache, Joachim Heinrich Campe, 1809)
Dann gab es die Pritschenmeister, die im Dienst von Fürsten standen, auch als Hofnarren bekannt. Sie waren nicht nur zur Erheiterung da, sondern, trugen zeitungsartige Berichte vor. Sie waren gebildet und verschafften den Fürsten einen Einblick in die öffentliche Meinung. Ihren Namen jedoch bekamen sie von dem Schlaginstrument der Spaßmacher, mit dem sie sich Gehör verschafften. Sie waren sehr geschätzt und genossen hohes Ansehen.
Es entwickelten sich Figuren wie der Hanswurst oder Kasperl im Puppentheater, der mit der Pritsche das Krokodil verhaut. Die Pritschen waren damals oft aus dünnen Holzstreifen hergestellt, aufwendig verziert und mit Schellen oder Bändern geschmückt.
Im Kölner Karneval ist die Pritsche, statt eines Zepters, die Amtsinsignie des Karnevalsprinzen. Dem Großen Senat des Festkomitees Kölner Karneval ist diese Klatsche lieb und teuer. Im Dezember 2015 bekam Thomas II für 11.111 Euro ein neues Herrschersymbol. Sechs Kölner Goldschmiede fertigten sie in einer Gemeinschaftsarbeit an. Sie soll 20 Jahre halten oder vielmehr solange bis keine Platz mehr auf ihr ist für alle Namen der Regenten, die die Pritsche schwangen. Sie ist wahrscheinlich die teuerste Klats
Die Klatsche ist inzwischen vollkommen entschärft. Als Züchtigungsinstrument hat die Pritsche ausgedient, als Rhythmusinstrument fand sie eine neue Bestimmung. So findet unter anderem im Bubenorchester im Unterwallis die Pritsche seit dem 20. Jahrhundert als Instrument seine Verwendung, berichtet das Schweizer Volkskundebuch (erschienen im Verlag G.Krebs.)
Bei Sportveranstaltungen dient die Klatsche nur noch zum Krach machen und Anfeuern. Verlierer werden damit nicht verhauen oder verjagt. Das Zepter von Hofnarr, fahrenden Dichter und Karnevalsprinzen hat das Fußvolk am Straßenrand und im Stadion übernommen. Wer also in Krefeld bei der Retour le Tour noch mal Zabel & Co zujubeln möchte, der hole seine Klatschpappe raus.