„Lindenstraße“ wird 25
Köln (dpa) - Kritisiert, verehrt, belächelt: Die „Lindenstraße“ hat im Laufe der Zeit viele Höhen und Tiefen erlebt. Es gab kleine Skandälchen und richtige Aufreger, die Gunst der Zuschauer nahm zu und ab.
Doch ob Fan oder nicht: Die meisten Deutschen haben die ARD- Kultserie wohl „irgendwann schon mal“ geguckt. Jedenfalls scheint fast jeder zu wissen, dass Mutter Beimer sich zum Trost Spiegeleier macht und dass „dieser Doktor“ seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt. Und wer kennt nicht die legendäre Szene, in der ein Priester mit der Bratpfanne erschlagen wurde? Jetzt feiert die ARD-Kultserie ihr 25- jähriges Jubiläum.
Der Erfolg des Dauerbrenners liegt nach Ansicht von Produzent Hans W. Geißendörfer vor allem in der Glaubwürdigkeit und Konstanz ihrer Charaktere. „Viele Zuschauer sind mit der "Lindenstraße" altgeworden - und finden es toll, dass die Figuren mit ihnen gealtert sind.“ Helga und Hans haben Falten gekriegt, Klaus und Iffi sind dicker geworden. „Die "Lindenstraßen"-Bewohner sind für die Zuschauer zu stellvertretenden Nachbarn geworden“, meint Geißendörfer. 13 Schauspieler aus dem ersten Jahr sind noch dabei, darunter Marie- Luise Marjan. „Die "Lindenstraße" ist für mich ein Stück Zuhause“, sagt sie zur Begründung.
„Die Serie bildet die Gesellschaft im Mikrokosmos einer Nachbarschaft ab, diese steht damit stellvertretend für die gesamte Gesellschaft“, erläutert Ulrich Spies vom Grimme-Institut in Marl. Figuren und Themen seien stark an der Wirklichkeit orientiert, so dass die Zuschauer sich gut mit ihnen identifizieren könnten.
Und das manchmal wohl zu gut. Vor allem in den Anfangsjahren bekamen die Schauspieler die Konsequenzen zu spüren, wenn das Handeln ihrer Rollen die Zuschauer empörte. Joachim Hermann Luger zum Beispiel berichtet, wildfremde Menschen hätten ihm auf dem Markt gedroht, ihn mit faulen Äpfeln zu bewerfen - weil sie Hans Beimer seine Trennung von Helga verübelten.
Am 8. Dezember 1985 flimmerte die erste „Lindenstraße“-Folge über die Bildschirme. Gefeiert wird der Geburtstag mit einer Sonderfolge und anschließender „Kultnacht“ am 11. Dezember in der ARD (23.15 Uhr), ehe dann am 12. Dezember zur gewohnten Zeit (18.50 Uhr) die Jubiläumsfolge mit der Nummer 1306 läuft.
Ein schier unerschöpflicher Themenfundus hat die „Lindenstraßen“- Bewohner im Laufe von 25 Jahren beschäftigt: Scheidung, Abtreibung, Homosexualität, Ausländerfeindlichkeit, Aids, Alkohol, Teenie- Schwangerschaft, Mord, Knast, Drogen, Terrorismus - die Liste lässt sich unendlich fortsetzen. Doch ein gesellschaftliches Tabu aufzugreifen und damit eine öffentliche Diskussion auszulösen - wie 1990 beim ersten Schwulen-Kuss in einer deutschen Serie - das gelingt in Zeiten der zahlreichen Reality-Shows wohl kaum noch, räumt Geißendörfer ein. „Aber Provokation im politischen Bereich - das halte ich für richtig und wichtig.“
Bis heute ist die „Lindenstraße“ ihrer Besonderheit treugeblieben, kurzfristig auf aktuelle Themen zu reagieren. Zwar werden die einzelnen Folgen schon etwa drei Monate vor dem Sendetermin gedreht, aber eine Passage kann noch kurz vor Ausstrahlung eingefügt werden. So kommt es, dass Hochrechnungen zu politischen Wahlen am selben Abend in der „Lindenstraße“ zu sehen sind. Die Figuren kommentieren Ergebnisse der Fußball-WM oder diskutieren am Küchentisch den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr.
Die Küchentische der Beimers, Zenkers und wie sie alle heißen befinden sich nicht, wie die Serie vorspiegelt, in einem Haus in München, sondern auf dem Studiogelände des WDR in Köln-Bocklemünd. Dort ist eine 150 Meter lange Straßenkulisse aufgebaut, an der das Restaurant „Akropolis“ und das „Café Bayer“ liegen. Die Wohnungen der Lindensträßler haben keine Decken und das Treppenhaus besteht nur aus einem Treppenabschnitt. Mehrere Mieter teilen sich einen Flur oder ein Badezimmer - das wird dann einfach umgeräumt, je nachdem, wo die Szene gerade spielt.
Von Zuschauerzahlen in zweistelliger Millionenhöhe wie in den Anfängen, als es noch nicht so viele TV-Kanäle gab, ist die „Lindenstraße“ inzwischen weit entfernt. Heute sind nach WDR-Angaben sonntags um 18.50 Uhr durchschnittlich 3,5 Millionen Zuschauer (13 Prozent Marktanteil) dabei - im Jahr 2000 waren es noch 5 und 1990 sogar 10 Millionen. „Durch die gewachsene Sendervielfalt und Aufsplitterung der Zuschauer ist die Konkurrenz viel größer geworden“, sagt WDR-Fernsehfilmchef Gebhard Henke.
In 25 Jahren ist nach Angaben eines Sprechers keine einzige Folge ausgefallen. Allerdings wurde eine Folge wegen der Fußball-WM auf 5.00 Uhr morgens verlegt - daraufhin hagelte es Proteste erboster Fans. Wird es unendlich weitergehen mit der „Lindenstraße“? Das weiß im Moment niemand. Vor kurzem hat die ARD den Vertrag bis zum Jahr 2014 verlängert. Wenn es nach Geißendörfer geht, sollte die Dauerserie ruhig noch mindestens 25 Jahre laufen. „Solange wir nahe an der Zeit bleiben und solange die Zuschauer uns wollen, wird es die "Lindenstraße" geben“, meint er.