MDR-Intendant Reiter geht nach bitteren Monaten

Leipzig (dpa) - Als MDR-Intendant Udo Reiter (67) Ende Mai seinen vorzeitigen Abschied ankündigte, war das wie ein Paukenschlag. Viele der mehr als 2000 Mitarbeiter waren ratlos.

Reiter selbst sagte damals: „Ich gehe lieber, solange man das noch bedauert. Ein öffentlich-rechtlicher Dinosaurier muss ich nicht werden.“ Doch die darauffolgenden Monate waren bitter. Ein Skandal folgte dem anderen, am Schluss schien ihm die Anstalt zu entgleiten.

Das 20. Jahr im Amt brachte dem Gründungsintendanten kein Glück. Erst wurde eine festliche Gala zum Sender-Jubiläum wegen des Millionenbetrugs beim ARD/ZDF-Kinderkanal abgesagt. Dann entließ der Sender Unterhaltungschef Udo Foht, der mit hohen Geldbeträgen jonglierte. Mitglieder des MDR-Fernsehballetts tanzten auf einer Geburtstagsparty in Tschetschenien für Machthaber Ramsan Kadyrow. Und bei der Regelung der Nachfolge an der Senderspitze gab es einen beispiellosen Machtkampf, bis wenige Tage vor Reiters Abschied Karola Wille als Intendantin gewählt wurde.

Diese Vorfälle trafen Reiter schwer. Er ließ seine Mitarbeiter an der langen Leine, enge Kontrolle war nicht sein Führungsstil. Am Schluss war Reiter erleichtert und gratulierte seiner Nachfolgerin gut gelaunt. „Ich bin sicher, dass ich der richtige Mann für den Aufbau des Senders war. Ich bin aber genau so sicher, dass Frau Wille heute die Richtige ist“, sagt er der Nachrichtenagentur dpa.

Seine Karriere begann er beim Bayerischen Rundfunk. Dort galt er bei vielen als Statthalter der CSU, Reiter betont aber: „Das war ich nicht. Ich bin in keiner Partei und schätze meine Unabhängigkeit.“ Eines Tages wurde der damalige Hörfunkdirektor gefragt, ob er Intendant des neu gegründeten MDR werden wolle. Bedingung sei aber, er müsse sich innerhalb von zehn Minuten entscheiden. „Das fiel mir nicht schwer“, erzählte er einmal.

Beim Aufbau des MDR aus dem Nichts hatte Reiter allerdings eine Riesen-Portion Glück. Als er merkte, dass er doppelt so viel Geld brauchte, wie zur Verfügung stand, kam er auf eine kreative Methode der Mittelbeschaffung: Der MDR investierte kräftig in Moskauer Stadt- und argentinische Staatsanleihen. Ergebnis war, dass die Anschubfinanzierung von 560 Millionen Mark mehr als verdoppelt wurde. Reiter räumt ein, dass das am Rande der Legalität war. „Es hätte auch schiefgehen können, das wäre mein Ende gewesen“, sagt er. „Aber es ging gut und der MDR musste keine Schulden aufnehmen.“

Am Anfang wurde der MDR als „Volksmusiksender“ verspottet. Da der MDR aber seit vielen Jahren das beliebteste Dritte Fernsehprogramm hat, ist die Häme weitgehend verstummt. Als seine „beste Tat“ nannte Reiter die Einführung des bundesweit ersten Nachrichtensenders „B5 aktuell“ Ende der 80er Jahre. Reiter gilt auch als Entdecker von Thomas Gottschalk, der damals als Student Verkehrsnachrichten auf Bayern 3 präsentierte. Reiter führte ihn zu höheren Aufgaben und bedauerte lange, dass er ihn nicht bei der ARD halten konnte. Mit der Rückkehr Gottschalks ins ARD-Vorabendprogramm 2012, bei der Reiter tatkräftig mithalf, schließt sich nun der Kreis.

Reiter wurde in Lindau am Bodensee geboren. Er hatte die Aufnahme zur Pilotenausbildung bei der Lufthansa bestanden, als er 1966 mit dem Auto auf Glatteis ins Rutschen kam und aus dem Wagen geschleudert wurde. „An den Unfall selbst kann ich mich nicht erinnern, aber angeschnallt war man damals ja nicht.“ Reiter ist seither auf einen Rollstuhl angewiesen. Er stürzte damals als 22-Jähriger in ein Tief und ging dann ohne große Begeisterung zum Bayerischen Rundfunk, wo er eine steile Karriere machte.

Vor mehr als zwei Jahren sagte er in einem dpa-Interview wehmütig: „Ich war immer der Jüngste - als Chefredakteur und Hörfunkdirektor. Plötzlich bin ich der dienstälteste Intendant, daran gewöhnt man sich nicht so leicht.“ Reiter, der verheiratet ist und eine erwachsene Tochter hat, kündigte für seinen Ruhestand ab November an: „Ich werde in Leipzig bleiben und mich um die schönen Dinge des Lebens kümmern: Garten, Film, Literatur. Mir fällt schon was ein.“