Menschenrechtler beklagen Gewalt am Rande des ESC
Baku (dpa) - Der Eurovision Song Contest (ESC) in Baku hat die Hoffnung aserbaidschanischer Menschenrechtler auf eine Besserung der Lage in der autoritären Südkaukasusrepublik nicht erfüllt.
Auch in Gegenwart von ESC-Gästen aus mehr als 40 Ländern gehe die Polizei mit Prügel und Festnahmen gegen Regierungsgegner vor. Das sagte die prominente aserbaidschanische Bürgerrechtlerin Lejla Junus am Dienstag in Baku vor Journalisten. Unterdessen ging der Grand Prix mit dem ersten Halbfinale, dem Tag der Entscheidung für 18 der 42 Teilnehmerstaaten, in die heiße Phase. „Unser Star für Baku“, Roman Lob (21), hat seinen großen Auftritt an diesem Samstag.
Baku sei eine Stadt im Umbruch, sagte Lob. „Es ist noch größer als ich erwartet habe. Es ist noch wahnsinniger. Es dreht sich alles um den Eurovision Song Contest“, sagte Lob in einem dpa-Gespräch. Nach den ersten Proben in der von Deutschen gebauten Crystal Hall war er „überwältigt“. „Die Probe war super. Der Sound war gut. Die Band hat sich auch wohlgefühlt auf der Bühne. Wir sind natürlich als Mannschaft auf der Bühne. Alles war super.“
Für den letzten Schliff will er noch etwas an seinem Ausdruck arbeiten, sagte der gelernte Industriemechaniker Lob aus Neustadt (Wied) in Rheinland-Pfalz. Er wird an diesem Mittwoch zusammen mit der Delegation vom deutschen Botschafter, Herbert Quelle, in dessen Residenz in Baku empfangen. Der Diplomat gilt auch als Unterstützer aserbaidschanischer Menschenrechtler, die den ESC als politische Bühne nutzen, um auf Missstände in ihrem Land hinzuweisen.
Mitstreiter des Bürgerrechtsprojekts „Sing for Democracy“ (Singen für Demokratie) kritisierten am Dienstag die hohen Kosten für den ESC angesichts der Armut der Bevölkerung und vieler sozialer Probleme in der Ex-Sowjetrepublik. Experten geben die Gesamtkosten für den ESC mit 629,8 Millionen Euro an, davon etwa ein Drittel allein für die Arena an der Küste des Kaspischen Meeres.
Das sei der höchste Betrag, der je für einen Grand Prix ausgegeben wurde, teilte die Vereinigung für die Unterstützung einer freien Wirtschaft (PAAFE) in Baku mit. Der Chefideologe der Präsidialverwaltung, Ali Gassanow, wies diese Angaben entschieden zurück und nannte ESC-Kosten von rund 50 Millionen Euro. Die Arena und andere Infrastrukturobjekte dürften nicht mitgerechnet werden, da sie über den ESC hinaus genutzt würden. Gassanow warf westlichen Medien, darunter vor allem deutschen, erneut eine Schmutzkampagne gegen Aserbaidschan vor. Offizielle Angaben zu den Kosten etwa der Halle gibt es aber nicht.
Die Bürgerrechtlerin Junus sagte, dass wegen des ESC etwa Renten gekürzt worden seien. Zudem habe demnach die seit Jahren umstrittene Abrisspolitik von bewohnten Häusern in Baku noch einmal deutlich an Fahrt gewonnen. Sie warf dem mit harter Hand regierenden Präsidenten Ilcham Alijew vor, einen „mafiösen Staat“ errichtet zu haben.