Samuel Koch: „Ich mache Fortschritte“
Berlin (dpa) - Ein flaumiger blonder Bart, ein leicht gerötetes Gesicht, die Stimme gefasst, wenn auch noch nicht sehr kraftvoll - Samuel Koch (23), seit seinem schweren Unfall bei „Wetten, dass..?“ am 4. Dezember 2010 querschnittsgelähmt, gab am Freitag sein erstes Fernsehinterview.
Sonntagmittag wurde es im ZDF ausgestrahlt. Koch gegenüber saß ZDF-Journalist Peter Hahne (58), seit 38 Jahren im Job. Hinter den beiden Männern war die malerische Seenlandschaft hinter der Reha-Klinik von Nottwil in der Schweiz zu sehen.
Samuel Koch, der sich die schwere Verletzung beim Sprung über ein Auto zugezogen hatte, trug ein hellblaues Hemd, unter dem zur Sicherung des Kopfes eine stabile Manschette saß. Ab und zu konnte er die Arme bewegen, in den Fingern fehlt ihm noch das Gefühl. „Ich mache Fortschritte, der Heilungsverlauf hat nie stagniert“, sagte er. „Im sensorischen Bereich kommt Einiges zurück. Am Pfingstmontag hat mein Bruder bemerkt, wie sich mein kleiner Zeh bewegte. Die ganze Familie tanzte, ein Riesenfest!“
Die Zeit kann niemand zurückdrehen. Doch Hahne stellte dem jungen Mann, von dem er wusste, dass er wie er bekennender und praktizierender Christ ist, die unvermeidliche Frage: Würde er den Sprung noch einmal wagen? „Ja, unter den gleichen Voraussetzungen ja. Es gab keinen Grund, der mich aufgehalten hätte“, sagte der frühere Kunstturner und Stuntman. „So viel hatte ich für keinen anderen Wettbewerb trainiert. Ich bin 500, 600 Mal über Autos gesprungen. Jeder Skiurlaub war riskanter als das Autogehüpfe. 95 Prozent der Patienten verunglücken im Haushalt. Das ist eine Risikosportart!“
Das Thema Glaube ließ Hahne nicht los. Es heiße, man könne nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. „Waren Sie in Gottes Hand?“ Kurzes Nachdenken bei Koch. „Auf jeden Fall. Patienten mit ähnlicher Lähmungshöhe sind an Beatmungsgeräte angeschlossen. Denen geht es schlecht. Es hätte schlimmer kommen können.“ Ob er denn an Wunder glaube? „Es gibt Dinge, die nicht durch Wissenschaft und Medizin erklärbar sind. Meine Lunge funktioniert. Über Wunder spricht man nicht, da hofft man drauf.“
Die große Anteilnahme habe ihn gerührt. Koch kann aber keinen Brief beantworten, weil er nicht schreiben kann. Das Ausmaß habe er sich nie vorstellen können. Kinder schrieben Gedichte. Es habe ihm sogar jemand einen Stern geschenkt, der jetzt seinen Namen trägt. 136 Lichtjahre entfernt. Das macht ihm Hoffnung. Die Verzweiflung kehrt zurück, wenn er machtlos zuschauen muss, wenn ihm eine Fliege in die Nase krabbelt und er sie nicht verscheuchen kann. Und wie gerne würde er in einen See springen oder eine Sprossenwand hochklettern.
Im September wird Koch 24. Sein Wunsch ist es, bis dahin die Reha-Klinik zu verlassen. „Erzwingen kann ich's nicht“, sagte er. „Aber ich arbeite darauf hin. Man muss aber realistisch bleiben.“ Den 4. Dezember hat er zwar nicht mehr in Erinnerung, wohl aber den Pfleger, der ihn beim Erwachen im Krankenhaus betreut hat, der jetzt geheiratet hat und zu dem Samuel Koch immer noch Kontakt hat. Schlimm finde er, dass so viele Kinder die Show damals gesehen und geweint hätten. Koch: „Es ist mir unangenehm, dass ich die Show kaputt gemacht habe.“