Hysterie oder echte Gefahr? Schluss mit lustig: Unheimliche Clowns gruseln die USA
Washington (dpa) - Ein Blick aus dem Fenster: Dort steht ein Clown hinter dem Gartenzaun im finsteren Wald und gräbt mit einem Spaten ein Loch. Der Bildausschnitt schwenkt unruhig auf den Boden, folgt nervösen Schritten ins Freie, dem Clown entgegen.
Man hört einen Schrei.
Der Clown hält inne, dreht seinen Kopf langsam in Richtung Kamera - und läuft plötzlich darauf zu. Das Bild wackelt und bricht ab. Was danach passiert, bleibt offen.
Was sich liest, wie das Drehbuch eines Horrorfilms, beschreibt eines von zahlreichen Amateurvideos aus den USA, die seit mehreren Wochen auf Twitter kursieren. Sie alle zeigen Menschen in Clownkostümen, die unerwartet an finsteren Orten auftauchen, an Friedhöfen und abgelegenen Straßen. Sie gruseln die Menschen an Schulen und Universitäten, verbreiten Angst in der Bevölkerung. Niemand weiß genau, was dahinter steckt: echte Gefahr, ein schlechter Scherz oder etwas ganz Anderes?
Kurz vor Halloween (31. Oktober) ist die Unsicherheit groß - aufgeregte Mädchen kommen aus der High School nach Hause: Dieses Jahr würden sie auf keinen Fall um die Häuser ziehen, sie hätten zu viel Angst.
Was davon inszeniert ist und was real, lässt sich schwer sagen. Manche Kinder erfänden Geschichten über bösartige Clowns auf dem Schulweg, berichtet die Polizei. Trittbrettfahrer nutzen die Verunsicherung aus. „Vielleicht denkt jemand, das wäre lustig“, zitiert die „Washington Post“ eine Polizistin. Sie warnt vor Nachahmern des gruseligen Trends: Die Verkäufe von Clownkostümen sollen Berichten zufolge um rund 300 Prozent gestiegen sein.
Auch in Großbritannien haben Unbekannte in Clownkostümen zahlreiche Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Die Polizei in der Region Thames Valley westlich von London berichtete von 14 gemeldeten Vorfällen am Wochenende, bei denen Menschen von Maskierten erschreckt oder eingeschüchtert worden seien. Ein mit einem Messer bewaffneter Mann im Clownkostüm war am Freitag einer Gruppe von vier Kindern in Chester-Le-Street im englischen Nordosten auf dem Schulweg gefolgt, wie die Polizei in Durham mitteilte. „Wir glauben, das ist Teil einer viel größeren Posse, die sich gerade in den USA und in Teilen des Vereinigten Königreichs ausbreitet“, sagte Polizeiwachtmeister Mel Sutherland in einer Stellungnahme.
Ob blöder Streich oder ernsthafte Gefahr, ist auch in den USA auf den ersten Blick kaum ersichtlich. Es gab Überfälle von Menschen in Clownkostümen. Eine High-School in Maryland wurde Medienberichten zufolge abgeriegelt, nachdem jemand auf einem Instagram-Account Drohungen in Clownmaske gepostet hatte.
Solche Geschichten verbreiten sich rasend schnell im Internet. Twitter-Nutzer posten fast im Minutentakt Clown-Sichtungen - teils als Warnung, teils als Treffpunkt für Clown-Jäger. Ein Video zeigt, wie Studenten der Universität in Oregon nachts mit Fackeln suchend über den Campus ziehen. Für viele ist es ein großer Spaß, für manche ein wahrgewordener Alptraum.
Und der geht weiter - denn das wichtigste Fest für Gruselfans steht mit Halloween ja erst bevor. Das bedeutet Ausnahmezustand auch für jene, die sich vor Zombies, Hexen und Ähnlichem fürchten. Das Phänomen „Killer-Clown“ wirft noch dazu einen Schatten auf das traditionelle Spektakel: „Die Polizei von Roselle Park bittet Eltern, ihre Kinder an Halloween keine Clownkostüme tragen zu lassen“, schreibt die Behörde im Bundesstaat New Jersey vorsorglich auf Facebook. Selbst die Fastfoodkette McDonalds zieht ihr Maskottchen Ronald McDonald erst einmal aus der Öffentlichkeit zurück.
Für die Angst vor Clowns gibt es übrigens einen Fachbegriff: Coulrophobie. Doch warum haben Menschen Angst vor den Gestalten in bunten Kleidern mit maskierten Gesichtern?
Der Psychologe Frank McAndrew vom Knox College in Illinois hat eine Antwort. In einer Studie mit 1341 Teilnehmern suchte er nach Merkmalen, die einen Menschen gruselig wirken lassen. Gruselfaktor besitzt demnach, wer in unpassenden Momenten lacht, komische Kleidung trägt, dunkle Augenringe und blasse Haut hat. Weiteres Indiz sei zu viel oder zu wenig zur Schau gestellte Emotion. Und: Männer werden als bedrohlicher empfunden. All diese Eigenschaften vereinen Clowns in sich, sagt McAndrew: „Sie sind schadenfroh und unberechenbar, man kann nicht sagen, wer sie wirklich sind oder was sie wirklich fühlen.“
Dass die Vorstellung vom Clown als bösem Psychopathen heute so verbreitet ist, liege auch am Fall des Massenmörders John Wayne Gacy: Der Straßenclown tötete in den 1970er Jahren 33 Jungen und wurde 1994 in Illinois hingerichtet. Seine Geschichte ist in den USA immer noch bekannt. Das Übrige erledigt Hollywood: Wer den bedrohlichen Joker aus „Batman“ kennt, wird in einem Clown keinen friedlichen Spaßvogel sehen.
Im kommenden Jahr soll eine Neuverfilmung des Bestsellers „Es“ von Stephen King in die Kinos kommen. Mit Pennywise schuf der US-Buchautor den Archetyp des „Killer-Clowns“. Es kursiert die Theorie, dass die bösen Clowns schlicht Werbung für den Film machen sollten. King schrieb kürzlich auf Twitter: „Zeit, die Clown-Hysterie herunterzufahren - die meisten Clowns sind gut, erheitern Kinder und bringen Leute zum Lachen.“