Schwul-lesbischer Schützenverein kürt Majestät

Köln (dpa) - Dirk Bachhausen grinst: „"Schwuler Schützenverein schießt mit Hinterlader" - ich sehe schon die Schlagzeilen.“

Mit seinen Schützenbrüdern und einer Schützenschwester steht er an einem Kölner Schießstand und lauscht den Erklärungen zur dort montierten Waffe. In wenigen Minuten werden damit die acht Mitglieder des wohl ersten schwul-lesbischen Schützenvereins Deutschlands zum ersten Mal ihre Majestät ermitteln. 16 Millimeter Geschossdurchmesser hat der Hinterlader, das gibt einen ziemlichen Knall, wird erklärt. Doch für einen größeren Knall hat Bachhausen im deutschen Schützenwesen längst gesorgt.

Dirk Bachhausen ist schwul, seit Kindertagen Mitglied im Schützenverein - und zuweilen ein Trotzkopf. Die Kombination führte im März dazu, dass er sich mit einer Entscheidung des Dachverbands „Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaft“ (BHDS) nicht abfinden mochte.

Der BHDS hatte entschieden, dass homosexuelle Schützenkönige bei Umzügen nicht direkt neben ihrem Lebenspartner auftreten sollen. Bachhausen stellte sich gegen diese, wie er sagt, „unglaublich peinliche Entscheidung“. Er gründete den schwul-lesbischen Schützenverein. „Es war einfach an der Zeit“, findet Bachhausen. „Die Idee hatten wir schon länger, aber der Auslöser war dann die Entscheidung des BHDS.“

Kaum einen Monat nach dem BHDS-Beschluss hob Bachhausen mit einigen Mitstreitern die „St. Sebastianus und Afra Schützenbruderschaft Köln 2012“ aus der Taufe. Der heilige Sebastian ist Schutzpatron der Schützen und sei auch eine Schwulenikone, erklärt Bachhausen. Und die heilige Afra sei „Schutzheilige der reumütigen Frauen und Sünderinnen“. „Wir haben einfach im Heiligenkalender geguckt, was uns gefällt.“

Gefallen findet der neue Verein auch bei den anderen Schützen, die parallel zum schwul-lesbischen Schießen ihre Könige ermitteln. „Wo sull dat denn sons passieren als in Kölle?“, meint ein älterer Herr, wie die meisten hier grasgrün gekleidet und medaillenbehangen. Nur die Mitglieder von „St. Sebastianus und Afra“ sind nicht in Uniform - die selbstentworfenen Trachten sind noch nicht fertig, erklärt Bachhausen: „Es musste alles ziemlich schnell gehen.“

Die Schützenwelt sei bei weitem nicht so homophob, wie der Beschluss des BHDS vermuten lasse, sagt Bachhausen. An der Basis sieht das ihm zufolge ganz anders aus. Er sieht den neuen Verein als Möglichkeit, ein bisschen frischen Wind in das Schützenwesen zu bringen. Die bisher insgesamt 35 Mitglieder von „St. Sebastianus und Afra“ zählen im Schnitt 29 Jahre - ein Durschschnittsalter, von dem andere Schützenvereine nur träumen können.

Knapp zwei Stunden lang wird schließlich am Sonntag der Hinterlader abgefeuert, dann steht die Majestät fest: Annette Bornheim, 31 Jahre alt, plant nun mit ihrem transsexuellen Partner Samuel Börnke einen Schützenumzug der besonderen Art. Der Verein will seine neuen Majestäten im kommenden Juli auf dem „Christopher Street Day“ präsentieren. Bis dahin sind wohl auch die neuen Uniformen komplett. Das Erkennungszeichen des Vereins steht jedenfalls schon fest: eine pinke Feder am Hut. Wieder grinst Dirk Bachhausen: „Das haben wir uns einfach nicht verkneifen können.“