Studie: Kinder in Deutschland sind unglücklicher geworden
Köln (dpa) - Jugendliche in Deutschland leben besser als ihre Altersgenossen in den meisten anderen Ländern, und doch sind viele unglücklich. Das ergab eine Studie der UN-Kinderhilfsorganisation Unicef.
Demnach hat sich die allgemeine Situation der jungen Generation in der Bundesrepublik weiter verbessert. Allerdings bewertet jeder siebte Jugendliche seine aktuelle Lebenssituation als mäßig bis negativ. Damit liegt die Bundesrepublik im Vergleich mit 29 Industrienationen auf Platz 22. Vor drei Jahren erreichte das Land noch Rang zwölf. Über mögliche Gründe macht die Erhebung keine Angaben. Lediglich die Zahlen seien erfasst worden.
Objektiv betrachtet steht die junge Generation in Deutschland der aktuellen Erhebung zufolge besser da als noch bei der vorigen Unicef-Studie von 2010: In den fünf Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Sicherheit, Verhalten und Risiken, Wohnen und Umwelt sowie materielles Wohlbefinden belegte das Land damals zusammengefasst Platz acht. Diesmal liegt es auf Rang sechs.
Bei den äußeren Lebensumständen auf Platz sechs, bei der Lebenszufriedenheit - dem zweiten großen Bereich - auf Rang 22: Laut Unicef zeigt sich hier eine breitere Kluft als in jedem anderen Industrieland. In der Unicef-Studie von 2007 lag die Bundesrepublik noch auf Rang zwölf von 21 Ländern. Für diese Kategorie wurden diesmal in den 29 Ländern mehr als 176 000 Kinder und Jugendliche (elf bis 15 Jahre alt) befragt, in Deutschland rund 5000.
Die besten Lebensbedingungen - auch nach subjektiver Einschätzung der Befragten - haben laut der Studie Kinder in den Niederlanden. Schlusslicht in beiden erhobenen Bereichen ist Rumänien.
Darüber, ob ein Kind einen Computer oder ein Fahrrad brauche, könne man natürlich streiten, sagte Hans Bertram, Mitglied des Deutschen Unicef-Komitees und Professor an der Berliner Humboldt-Universität, mit Blick auf die deutschen Teenager. Sicher sei aber: „Die einseitige Konzentration auf Leistung führt dazu, dass sich viele Kinder und Jugendliche einfach von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen.“ Die Schüler hätten unter anderem bessere Werte bei den Pisa-Tests erzielt und rauchten seltener. Was die relative Armut angehe, befinde sich Deutschland mit Platz elf im oberen Mittelfeld der Industrieländer.
Bildungsforscher Klaus Hurrelmann, der zwei Shell-Jugendstudien geleitet hat, sieht die Sorgen der Jugend vor allem im Schulbereich begründet. „Kinder in Deutschland sind mit ihren Eltern und abgeschwächt mit ihrer Freizeitsituation sehr zufrieden, nicht aber mit der Schule. Dort wünschen sie sich mehr Mitbestimmung und Einfluss auf Regeln, Abläufe und Umgangsformen.“
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP), Gerd Schulte-Körne, macht die Ursachen zum Unglücklichsein noch in einem weiteren Bereich aus: „Kinder müssen heute andere gesellschaftliche Aufgaben und Verantwortungen übernehmen, als früher und sind damit häufig überfordert.“ Beispielsweise bei einer Scheidung der Eltern. Ihm zufolge leiden bis zu 18 Prozent der Jugendlichen in Deutschland an Depressionen, vor 20 Jahren waren es nur halb so viele.