„Tatort“-Stadt im Südwesten gesucht
Baden-Baden (dpa) - Tote vor dem Münster in Ulm oder Freiburg, brutale Bandenkriege zwischen Mannheim und Heidelberg oder doch lieber ein Mord im Schwarzwald, im noblen Baden-Baden oder im nahen Karlsruhe: Zahlreiche Kommunen in Baden-Württemberg wollen Kriminalitätshochburg werden.
Aber nicht mit echter Gewalt und realen Tätern, sondern im Fernsehen. Das Ringen um den neuen „Tatort“ geht in seine heiße Phase. Als Standort der ARD-Krimireihe erhoffen sich die Städte und Regionen überregionale Aufmerksamkeit und positives Image.
Über mangelndes Interesse können sich der Südwestrundfunk (SWR) und seine „Tatort“-Redaktion in Baden-Baden also auf keinen Fall beschweren. „Wir registrieren eine große Resonanz und freuen uns natürlich darüber, weil es ja auch eine Wertschätzung dieses Fernsehformats ist“, sagt Sprecherin Annette Gilcher. Viele Städte möchten auf dem Bildschirm zur Hauptsendezeit am Sonntagabend vor einem Millionenpublikum regelmäßig in der ersten Reihe stehen.
Der Grund des Ansturms: Der etablierte „Tatort“ vom Bodensee ist ein Auslaufmodell, vom nächsten Jahr an werden nach dem Willen der ARD neue Ermittler an anderem Ort Verbrecher jagen. Konstanz macht sich zwar weiter Hoffnung, doch die Chancen sind gering. Als Konkurrenten haben sich unter anderem Freiburg, Ulm, Mannheim und Heidelberg, Baden-Baden sowie Karlsruhe ins Spiel gebracht. Und mehrere Touristenorte wollen einen ortsübergreifenden „Tatort“ aus dem Schwarzwald.
„Über den Bekanntheitsgrad eines "Tatortes" und seine Bedeutung braucht man wohl nichts zu sagen“, meint der Freiburger Wirtschaft- und Tourismusförderer Bernd Dallmann. „Der hohe Werbeeffekt für Stadt und Region ist nahezu unbezahlbar.“ Fernsehserien machten Orte bekannt, davon profitiere vor allem der Tourismus.
„Standort eines "Tatorts" zu werden, ist keine Sache, um die man sich bewerben kann“, erklärt SWR-Fernsehfilmchefin Martina Zöllner. Ausgewählt werde allein nach redaktionellen Gesichtspunkten. „Was die Auswahl des Ortes betrifft, gibt es keine äußeren Vorgaben.“
Entschieden werde im Laufe des Jahres, sagt Zöllner: „Wir arbeiten derzeit daran, Figuren zu entwickeln und diese in Einklang zu bringen mit Themen und Orten.“ Mehrere Drehbuchautoren seien dabei, Konzepte zu erstellen. Dies sei ein kreativer Prozess, der Zeit brauche.
Die Zukunft des Südwest-„Tatorts“ entsteht am Schreibtisch der Fernsehredakteure in Baden-Baden. Sie suchen nach neuen Figuren und Geschichten. Diese müssen sich von bisherigen Ermittlern und Fällen unterscheiden. Und dazu muss dann der Ort passen.
Gegen Konstanz spricht, dass ein Neustart am alten Ort schwierig wird. Mannheim und Heidelberg wollen zwar einen gemeinsamen „Tatort“. Doch in direkter Nähe, im Mannheimer Nachbarort Ludwigshafen, ermittelt seit 26 Jahren Lena Odenthal alias Ulrike Folkerts. Sie ist die dienstälteste „Tatort“-Kommissarin.
Baden-Baden hat zwar TV-Historie. Doch neben Stuttgart und Mainz ist die Stadt Hauptstandort des SWR. Es wäre hier der zweite SWR-„Tatort“ direkt vor der Haustür des Senders. Und zudem hat Baden-Baden kein Polizeipräsidium. Und das ist laut Zöllner Grundvoraussetzung, um auch im Fernsehen zum „Tatort“ zu werden. Karlsruhe, Freiburg und Ulm rechnen sich gute Chancen aus. Doch sie müssen beweisen, dass sie mehr zu bieten haben als passende Kulissen und bekannte Klischees.
„Wichtig ist uns, dass sich in einer Stadt Themen, unterschiedliche gesellschaftliche Schichten und Milieus für glaubwürdige Kriminalgeschichten anbieten“, sagt Zöllner. „Und natürlich müssen auch die Ermittlerfiguren zu der Stadt passen.“ So wie Richy Müller mit Stuttgart und Ulrike Folkerts mit Ludwigshafen müssten auch die neuen Südwest-Kommissare vom Zuschauer mit dem Ort verbunden werden.