Terrorismus macht den Deutschen am meisten Angst
Berlin (dpa) - Terroranschläge, politischer Extremismus und Zuwanderung machen den Deutschen spürbar mehr Angst als in den Vorjahren. Nach der repräsentativen Umfrage „Die Ängste der Deutschen“ fürchten sich fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) vor Terrorismus, teilte die R+V-Versicherung mit.
Damit rückt diese Angst nach 25 Jahren das erste Mal auf Platz eins der Langzeit-Befragung. Dicht dahinter folgen die Sorgen vor gewaltbereiten Extremisten und den Folgen der Zuwanderungspolitik. Persönliche Sorgen verblassen dagegen. Ausgewählte Ergebnisse der Studie:
ANGSTINDEX: „Noch nie zuvor sind die Ängste innerhalb eines Jahres so drastisch in die Höhe geschnellt wie 2016“, bilanziert Brigitte Römstedt, Leiterin des Infocenters der R+V-Versicherung. Der Angstindex, also der Durchschnittswert der langjährig abgefragten Sorgen, steigt im Vergleich zum Vorjahr sprunghaft um zehn Prozentpunkte auf nun 49 Prozent an. Hauptursache ist nicht allein die dramatische Zunahme der Top-Angst Terrorismus. Vielmehr überspringen gleich 12 von 20 abgefragten möglichen Sorgen deutlich die 50-Prozent-Marke. Vom politischen Extremismus über Spannungen durch Zuwanderer bis zur Sorge vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung sind diese Ängste damit intensiver als früher. Allerdings hat der Angstindex auch 2003, 2005 und 2010 um die 50 Prozent gelegen. Im Unterschied zu heute ging es aber weniger um externe Bedrohungen und Gewalt, es dominierten vielmehr Sorgen um die Wirtschaftslage und Angst vor Naturkatastrophen.
SORGE NUMMER EINS: Zum ersten Mal seit dem Beginn der Befragung 1992 ist das die Angst vor Terrorismus. Rangierten Befürchtungen vor neuen Anschlägen in Europa im Sommer 2015 noch auf Platz drei, sind sie nun erneut sprunghaft angewachsen - um ein gutes Fünftel auf 73 Prozent. Verwunderlich ist das für Psychologen nicht. Denn die Anzahl der Attentate in Europa ist real gestiegen. War das Meinungsbild im Sommer 2015 noch vom Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ geprägt, kamen im November die Attentatsserie von Paris und im März 2016 die Bomben von Brüssel dazu. Bei Anschlägen in der Türkei wurden 2016 auch deutsche Touristen getötet. Eng verbunden mit Terrorismus ist die zweite große Angst vor politischem Extremismus (68 Prozent). Dabei haben viele Befragte die Anschläge des sogenannten Islamischen Staats weltweit im Kopf. 2015 hatte die Sorge vor Extremismus noch auf Platz fünf gelegen - gleichauf mit der Sorge, im Alter zum Pflegefall zu werden.
ZUWANDERUNG: Bereits im Sommer 2015 befürchtete jeder zweite Befragte (49 Prozent), dass das Zusammenleben zwischen Deutschen und Ausländern durch einen weiteren Zuzug von Flüchtlingen beeinträchtigt wird. Nun teilen bereits zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) diese Sorge. Auch diese Wahrnehmung hat für Psychologen einen realen Hintergrund. Die Flüchtlingszahlen in Deutschland gingen allein durch den Winter und die endgültige Schließung der Balkanroute im März zurück. Dazu kamen die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten. Zwei Drittel der Interviewten (66 Prozent) sind inzwischen der Meinung, dass Deutsche und Behörden durch Flüchtlinge überfordert sind - das sind 17 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
EU-SCHULDENKRISE: Die möglichen Belastungen für Steuerzahler haben die Bundesbürger nicht vergessen. In der Gesamtwertung rutschte diese Angst allerdings vom ersten Platz 2015 nun auf den fünften Rang. Damit blieben die Befürchtungen bei 65 Prozent der Befragten fast gleich groß (plus 1 Prozentpunkt), allein die Intensität der anderen Ängste überlagert die Sorge ums Geld. Auch die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten fiel - trotz sechs Prozentpunkten Zuwachs - auf die hinteren Ränge im Ranking zurück.
POLITIKER: Das Zutrauen in die Politik bei der Lösung der aktuellen Probleme ist deutlich gesunken. Zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) halten Politiker heute für überfordert. Das sind 17 Prozentpunkte mehr als noch im Vorjahr. 2014 zweifelten nur 45 Prozent der Interviewten an den Fähigkeiten von Politikern. Das war der niedrigste Wert seit der Befragung im Jahr 2001 - umso steiler verläuft die Misstrauenskurve seit 2015 (48 Prozent) nun nach oben.