Trauer um Frank Schirrmacher

Frankfurt/Main (dpa) - Mit langen Nachrufen haben Journalisten an den gestorbenen „FAZ“-Mitherausgeber Frank Schirrmacher erinnert und seine Rolle bei Debatten im digitalen Zeitalter hervorgehoben.

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„Er bestimmte die intellektuelle Agenda der Berliner Republik“, heißt es unter anderem im Online-Auftritt der Wochenzeitung „Die Zeit“. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nahm in einem ganzseitigen Artikel Abschied von dem Publizisten, der am Donnerstag im Alter von 54 Jahren einem Herzinfarkt erlegen war. Unter dem Titel „Ein sehr großer Geist“ ehrte sie den „sprach- und wirkmächtigsten Kulturjournalisten, den Deutschland je hatte“.

Einer der verbliebenen „FAZ“-Herausgeber, Günther Nonnenmacher, schrieb am Freitag auf der Onlineseite der Zeitung, er sei mit Schirrmacher nicht immer einig gewesen, er habe ihn aber bewundert. „Er hat mich mit seinem Charme und seiner Überredungskunst und Überzeugungskraft gewissermaßen umarmt“, erinnert sich Nonnenmacher. „Er war ein genialer Überwältiger, und meistens ließ man sich gerne von ihm überwältigen.“ Die Redaktion der „FAZ“ habe die Nachricht von seinem Herztod zuerst mit Entsetzen, dann mit tiefer Trauer aufgenommen. Es sei sofort jedem klargewesen, „welchen Verlust wir alle, und damit die Zeitung, mit seinem Tod erleiden.“

„Jeder ist ersetzbar, heißt es immer“, schreibt zudem Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart. „Im Falle von Frank Schirrmacher stimmt das nicht.“ Sein Tod hinterlasse „keine Lücke, sondern einen Abgrund.“ Schirrmacher habe mit seinen Essays zur alternden Gesellschaft, zum entschlüsselten Genom und den Düsternissen der Digitalzeit das Denken geprägt. „Wo er war, war vorne“, heißt es in Steingarts täglichem Leser-Rundbrief.

Iris Radisch, „Zeit“-Literaturredakteurin, erinnerte an einen Menschen, der „wie kein anderer besessen von der Gegenwart“ gewesen sei. In den letzten Jahren habe er sein großes Lebensthema gefunden und als einer der ersten vor dem Ausmaß der digitalen Revolution gewarnt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schrieb im Kondolenzschreiben an Schirrmachers Ehefrau Rebecca Casati: „Wie kein Zweiter hat Frank Schirrmacher maßgebliche geistige, gesellschaftliche und technologische Entwicklungen unserer Zeit erspürt und als Journalist und Autor beschrieben und gedeutet.“

Auch führende Vertreter der sogenannten Netzgemeinde zeigten sich erschüttert: „Schirrmacher hat als einer der wenigen Intellektuellen dieses Landes verstanden, dass die Entwicklung der digitalen Gesellschaft nicht passiv hingenommen werden darf, sondern ein Einmischen erforderlich ist“, schreibt Blogger Nico Lumma, ein Gründungsmitglied des Netz-Vereins „D64 - Zentrum für den digitalen Fortschritt“. Die breite Debatte um die Perspektiven der digitalen Zukunft sei wichtig gewesen.

Der frühere „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust sagte dem Hessischen Rundfunk: „Schirrmacher war der Klügste unserer Generation.“ Er sei grenzenlos uneitel gewesen, sehr kooperativ und „wahnsinnig klug“. Schirrmacher habe die Grenzen des Feuilletons gesprengt. „Das FAZ-Feuilleton war kein Kulturteil, es war ein philosophisches Blatt.“

Am Donnerstag hatte bereits eine Fülle von Politikern und Journalisten mit großer Anteilnahme auf die Todesnachricht reagiert. Bundespräsident Joachim Gauck schrieb Schirrmachers Frau, Deutschland verliere einen herausragenden Journalisten und Publizisten. „Die Stimme der Vernunft, die Frank Schirrmacher in vielen Debatten verkörperte, wird uns fehlen.“

Der 54-Jährige war seit 1994 einer der Herausgeber der „FAZ“. Er prägte gesellschaftliche Debatten mit Artikeln und Bestsellern. „Wir sind tief erschüttert und fassungslos“, teilte FAZ-Mitherausgeber Berthold Kohler nach dem Tod seines engen Kollegen mit. „Das ist ein entsetzlicher Verlust für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".“

Schirrmacher war einer von fünf Herausgebern der „FAZ“. Günther Nonnenmacher will in Kürze aus dem Gremium ausscheiden. Sein Posten soll nicht neu besetzt werden. Einen Zeitplan für die kommende Besetzung des Gremiums gibt es nach „FAZ“-Angaben noch nicht.