Fußball Goldene Zeiten für Chinas Fußball mit deutscher Unterstützung
Die chinesische Regierung will die Nationalmannschaft in der Weltspitze sehen — deutsche Vereine helfen dabei. Ist das Trend oder wird das Bestreben Chinas eine nachhaltige Entwicklung haben?
Dortmund. „Brasilianer Oscar wechselt für 60 Millionen Euro nach Shanghai.“ Es waren Meldungen wie diese, mit denen chinesische Fußballvereine ihre europäische Konkurrenz 2016 zum Staunen brachten. 451,3 Millionen Euro investierten die Klubs aus Fernost im letzten Jahr. In der jüngsten Wechselperiode ging es nicht so hoch her — nicht zuletzt aufgrund der Vorgaben des Verbandes. Demnach muss bei hohen Transferausgaben dieselbe Summe in den Jugendfußball gesteckt werden. In China hat man erkannt, dass sich eine nachhaltige Entwicklung nicht mit Geld erzwingen lässt.
Staatspräsident Yi Jinping hat die Angelegenheit zur Chefsache erklärt: In 50 Jahren möchte der Fußballfan seine Nation an der Weltspitze sehen. Dexing Ma, stellvertretender Chefredakteur der chinesischen Zeitung „Titan Sports“, erklärte bei einer Diskussion im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund das Konzept: „Erstens soll China an einer Weltmeisterschaft teilnehmen. Zweitens das Turnier ausrichten und drittens als Sieger hervorgehen.“ Mit der Teilnahme wird es zumindest 2018 in Russland nichts: In der Qualifikation verlor man unter anderem gegen das Kriegsland Syrien. In der Fifa-Weltrangliste steht man hinter Panama und Jamaika auf Rang 62. Mit der Ausrichtung des Turniers könnte es früher klappen. Dem Vernehmen nach will man sich für die WM 2030 bewerben.
Um dabei auch sportlich eine gute Rolle zu spielen, hat Yi Jinping ehrgeizige Ziele: Bis 2025 sollen 50.000 Fußballschulen errichtet werden. Außerdem sieht der Plan Investitionen für neue Plätze, Trainer und Ligen vor. Unter den rund 1,4 Milliarden Einwohnern findet man nur rund 10.000 Aktive Kicker. Eltern, erklärt Ma, lassen ihre Kinder nicht gerne Fußball spielen. Die Sportart habe wegen Korruptionsfällen keinen guten Ruf.
Auch das Zuschauerinteresse an der heimischen Liga ist eher gering. „Die Stadien sind selten ausverkauft. Der Zuschauerschnitt in der ersten Liga liegt deutlich unter 15.000“, erklärt Stefan Lottermann. Der ehemalige Bundesligaprofi ist Technischer Berater des Chinesischen Fußballverbandes (CFA). Auswärtsfahrten treten die Vereine — auch der Größe des Landes geschuldet — meist ohne Fan-Unterstützung an: „Da bringen die Klubs auch mal auf eigene Kosten 100 bis 200 Fans auf dem Weg.“
Die Heimat der Vereine liegt nicht in einer Stadt. Die Basis bilden die besitzenden Unternehmen. Wechselt der Eigentümer, dann ändert sich der Name oder der Klub zieht gar um. Eine Bindung zum Verein entsteht so kaum. Bleibt der Erfolg aus, bleiben laut Dexing Ma die Fans zu Hause.
Bei dem Vorstoß in die Weltspitze baut man in Ostasien nun auch auf deutsche Expertise. Bayern, Dortmund oder Schalke verbrachten ihre Sommerpause in den vergangenen Jahren in China. Dabei handele es sich in erster Linie um eine Marketingstrategie, bekannte Bodo Menze, Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen des FC Schalke. Allerdings wolle man auch helfen, mit deutschem Know-how die sportliche Entwicklung voranzutreiben. Schalke setzt in einer eigenen Fußballschule vor allem auf die Ausbildung von Spielern und Trainern. In ein paar Jahren hofft Menze die Früchte der Vereinsarbeit in Form von talentierten Spielern ernten zu können.
Menze war maßgeblich am Erfolg der Schalker Spielerausbildung in der „Knappenschmiede“ beteiligt. Die Nachwuchsarbeit in China hält er für notwendig, um in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben. Sorgen, der chinesische Fußball könnte Europa den Rang ablaufen, teilt er nicht: „Konkurrenz belebt das Geschäft.“
Das Engagement des Klubs aus dem Ruhrgebiet ist ganz nach dem Geschmack Dexing Mas. Der Journalist bemängelt, dass es im gesamten Land nur vier Fußballschulen nach europäischen Vorbild gebe. An anderen Standorten komme es permanent zu Konkurrenzgerangel zwischen dem Verband und dem Bildungsministerium, das als Träger der Schulen auftritt und sich gegen Ratschläge der Fußballexperten immun zeigt. Trotz des Engagements chinesischer Investoren in England und Italien rät Ma seinen Landsleuten, sich am deutschen Modell der Nachwuchsförderung zu orientieren. „Warum hat die englische Nationalmannschaft in den letzten 20 Jahren nichts erreicht?“
Obwohl sportlich noch einiges im Argen liegt, spricht Deixing Ma von der „Goldenen Zeit“ für Chinas Fußball. Von der Unterstützung des Präsidenten erhofft er sich einen nachhaltigen Sprung nach vorne. Doch weiß er auch um die Gefahren: „Wenn es in ein paar Jahren einen neuen Präsidenten gibt, könnten die Gelder wieder gestrichen werden.“ Stefan Lottermann relativiert: „Der Zug kann nicht mehr gestoppt werden. Die Frage ist nur: Wie schnell wird er?“
Bodo Menze verweist auf die Entwicklungen auf Schalke, die erst nach einem Jahrzehnt Früchte getragen haben — ein langer Atem sei notwendig. Ob die Chinesen diese Geduld mitbringen, ist fraglich.