„Goldenes Zeitalter“: Spanische Meister in Berlin
Berlin (dpa) - In ihrem Schmerz, ihrer Qual, wirken die Holzfiguren so lebensnah, als würden sie sich gleich bewegen.
Die mehr als 400 Jahre alte Werkgruppe „Gang zum Kalvarienberg“ des spanischen Künstlers Gregorio Fernández wird bis heute bei der Karfreitagsprozession durch die Straßen der nordspanischen Stadt Valladolid getragen. Noch nie hat sie Spanien verlassen. Jetzt ist sie erstmals in Berlin in einer spektakulären Ausstellung zu sehen.
Unter dem Titel „El Siglo de Oro“ - das Goldene Zeitalter - gibt die Gemäldegalerie am Potsdamer Platz einen umfassenden Einblick in die spanische Kunst des 17. Jahrhunderts. Bundespräsident Joachim Gauck und der spanische König Felipe VI. haben die Schirmherrschaft übernommen. Die Staatlichen Museen sprechen vom „Ausstellungshighlight“ des Sommers.
Rund 150 Meisterwerke sind zu sehen - von Velázquez und El Greco, Murillo und Zurbarán, Mena und Montañés. Einen Teil steuert die Gemäldegalerie selbst bei, zu den 64 Leihgebern gehören der Prado in Madrid, das Metropolitan in New York und der Louvre in Paris. „Eine Ausstellung in dieser Größenordnung hat es außerhalb Spaniens so noch nicht gegeben“, sagt Museen-Generaldirektor Michael Eissenhauer.
Mit El Grecos „Unbefleckter Empfängnis“ (1613) empfängt den Besucher gleich zum Auftakt eines der herausragenden Beispiele des Goldenen Zeitalters. Es ist das letzte Werk des eigentlich aus Griechenland stammenden Künstlers und gilt als sein ästhetisches Vermächtnis. Von Diego Velázquez, der der Ausstellung den Untertitel gab, sind etwa der mächtige Kriegsgott „Mars“ (1641) und der düstere „Hofnarr“ (1636-38) zu sehen. Mit seinen einfühlsamen Porträts wurde der einstige königliche Kammermaler Vorbild für viele spätere Künstler.
Für die Kuratoren der Ausstellung ist besonders bemerkenswert, dass der einzigartige Aufschwung der Kunst gerade in eine Zeit fiel, in der Spaniens Vormachtstellung in Europa zu bröckeln begann. „Vor dem düsteren Hintergrund der gesellschaftlichen Realität war die Kunst das wichtigste politische Medium zur Vortäuschung vermeintlicher Stabilität und Macht“, schreiben Roberto Contini und María López-Fanjul in einem Begleittext.
Die Ausstellungsräume - mehr als 2000 Quadratmeter - sind durch Farben gegliedert, die Werke chronologisch oder nach Themen geordnet. Besonders eindrucksvoll in ihrer hyperrealistischen Darstellung sind die immer wiederkehrenden religiösen Motive - Pedro Roldáns „Mater Dolorosa“ (1660-75) mit ihren wie echt wirkenden Tränen, Gregorio Fernandez' „Toter Jesus“ mit seinen schwärenden Wunden, Zähnen aus Elfenbein und Nägeln aus Stierhorn.
Auch wenn das „Goldene Zeitalter“ als eine der wichtigsten Epochen der europäischen Kulturgeschichte gilt, sind die Meister des spanischen Barock in Deutschland oft nicht so bekannt. Das soll sich durch die Ausstellung ändern, hoffen die Macher.
Für die Besprechung des Audioguides konnten sie den zeitweise in Spanien lebenden Schauspieler Daniel Brühl („Good Bye, Lenin!“) gewinnen. Unter dem Motto „Goldener Sommer in Berlin“ lädt zudem ein breites ergänzendes Kulturprogramm ein. „Was wir mit der Ausstellung zeigen“, sagt Gemäldegalerie-Direktor Bernd Lindemann, „ist das, was Europa ausmacht: Einheit und Vielfalt.“