Grenzverkehr: Endstation Zoll

Reisefreiheit ist im Europa ohne Zollschranken normal geworden. Doch auch sie hat Grenzen.

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Weil am Rhein. Tobias Bühler und Iwan Pede gehen täglich an ihre Grenze: Die beiden Zollbeamten beziehen Posten am deutsch-schweizerischen Grenzübergang Weil am Rhein-Autobahn im südlichen Baden-Württemberg.

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Es ist die größte Gemeinschaftszollanlage Europas. Und die Hauptroute des Urlauber- und Transitverkehrs in Richtung Süden. Hier sitzen der deutsche und der Schweizer Zoll, um Schmuggler und andere Kriminelle aus dem Verkehr zu ziehen.

An Bühler und Pede, die neben dem Zollhäuschen direkt auf der Autobahn stehen, fahren täglich mehrere Zehntausende Autos vorbei. Es ist ein Augenblick von vielleicht einer Sekunde, in dem die Entscheidung fällt. Statt das Auto an der Grenzstation bei der Einreise aus der Schweiz nach Deutschland durchzuwinken, hebt Bühler die Hand. Das Fahrzeug stoppt. Im Wagen sitzt ein älteres Ehepaar aus Bayern. „Wir waren geschäftlich in der Schweiz“, sagt der Fahrer. „Wir haben Freunde in Italien besucht“, meint die Ehefrau. Die beiden Zöllner werden misstrauisch. Sie winken das Auto auf die Seitenspur. Und nehmen es unter die Lupe.

Weil am Rhein ist auch die größte Grenzstation Deutschlands. Sie liegt mitten auf einer der wichtigsten Verkehrsachsen in Mitteleuropa. Autofahrer, die in die Schweiz oder nach Italien weiter wollen oder in der entgegengesetzten Richtung nach Deutschland einreisen wollen, müssen hier durch. Vorbei an den Zöllnern, die an der Trennlinie zur Schweiz und damit an der einzigen EU-Außengrenze, die Deutschland noch hat, Wache schieben.

Im Schnitt sind es mehr als 35 000 Autos täglich, die diese Stelle passieren, in der Urlaubszeit deutlich mehr. Die für den Grenzschutz in Deutschland zuständige Bundespolizei macht hier schon seit Jahren keine stationären Kontrollen mehr. Die Grenzstation auf der deutschen Autobahn 5 (Karlsruhe-Basel) ist jetzt allein das Revier des Zolls.

Doch Freunde machen sich die Zöllner mit ihrer Arbeit selten. „Die Bereitschaft, sich beim, vor oder nach dem Grenzübertritt kontrollieren zu lassen, ist gering“, sagt Bühler. Der 48-Jährige ist seit 31 Jahren beim Zoll. Sein Beruf, sagt er, habe sich grundlegend gewandelt. Den klassischen Zöllner gebe es nach dem Abbau der meisten Zollhäuschen kaum noch. In einem Europa ohne Grenzschranken und mit einer durch das Schengen-Abkommen garantierten europaweiten Reisefreiheit sind Zollkontrollen für viele ungewohnt geworden.

Trotzdem: „Es muss jeder damit rechnen, kontrolliert zu werden“, sagt Bühlers 27-jähriger Kollege Pede. Denn grenzenlos darf nichts von einem Land ins andere gebracht werden. Für viele Waren gelten Höchstmengen. Wer darüber liegt, muss Einfuhrabgaben bezahlen. Und wer mehr als 10 000 Euro Bargeld dabei hat, muss dies unaufgefordert dem Zoll melden - sonst drohen Sanktionen. Dies soll der Geldwäsche vorbeugen und daran ändert auch ein zusammengewachsenes Europa nichts.

Im Auto des älteren Ehepaars werden die Zöllner nicht fündig. „Ist doch spannend. Man wird ja sonst nie kontrolliert“, sagt der Fahrer. Seine Frau dagegen ist sichtlich erbost. Verständnis für die Aktion hat sie nicht. „Sie sollten die Richtigen fangen, nicht uns“, sagt sie. Wie denn die Richtigen auf den ersten Blick zu finden seien, fragt der Beamte. Die Antwort bleibt die Frau schuldig. Nach wenigen Minuten kann das Paar seine Fahrt auf der Autobahn fortsetzen.

„Zollkontrollen sind eben Stichprobenkontrollen“, sagt Pede. Im Gegensatz zur Polizei kann der Zoll auch ohne konkreten Verdacht aktiv werden. Er kann Menschen und Fahrzeuge durchsuchen, Taschen durchwühlen, Ausweise kontrollieren und Autos und Koffer mit einem an der Zollstation stehenden überdimensionalen Röntgengerät durchleuchten.

Es gibt auch wenige Dinge, die die Zöllner noch nicht gesehen haben: Bargeld, Rauschgift oder Zigaretten in großen Mengen im Auto versteckt, Waffen, per Haftbefehl gesuchte Kriminelle auf der Flucht in ein anderes Land, Steuerhinterzieher, Schwarzarbeiter, gefälschte Luxusartikel, Antiquitäten und Medikamente, verbotene Jagdtrophäen sowie unter Artenschutz stehende Tiere. Bühler ging vor Jahren mal ein Autofahrer ins Netz, der drei Kilogramm Kokain im Reserverad seines Autos versteckt hatte — am Zoll war für ihn Endstation.

Auf der Autobahn in Weil am Rhein rauscht an Bühler und Pede praktisch die ganze Welt vorbei: Urlauber aus den Niederlanden, Geschäftsleute aus Russland, Pendler aus der Region. Kontrolliert werden können sie nicht nur direkt an der Zollstation, sondern auch im Umkreis von 30 Kilometern rund um die Grenze.

So wie die Polizei fährt hier auch der Zoll Streife und überwacht den Verkehr. „Reiserouten sind immer auch die Routen, die von Kriminellen genutzt werden“, sagt Bühler. „Kontrollen sind daher wichtig.“