Jeder kann mitmachen Große Vogelzählaktion startet

Berlin/Münster (dpa) - Ob mit Fernglas oder nur wachen Auges: Eine Stunde lang sollen Vogelfreunde in der Zeit von Freitag bis Sonntag genau hinsehen, wie viele und welche Vögel sich im heimischen Garten oder im Park nebenan tummeln.

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An der 7. bundesweiten Zählaktion des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) „Stunde der Wintervögel“ beteiligen sich jedes Jahr Tausende. Online, per Meldebogen oder telefonisch können sie dann ihre Beobachtungen an den Nabu melden. Die wachsende Datenbank soll helfen, schleichende Veränderungen in der Vogelwelt zu dokumentieren. Dabei gehe es zumeist um vertraute Vogelarten wie Meisen, Finken, Rotkehlchen und Spatzen, teilte der Nabu in Berlin mit.

Die große Mitmachaktion könne „ein sinnvolles Frühwarnsystem sein und Menschen für den dramatischen Artenschwund sensibilisieren“, sagte der Landschaftsökologe und Vogelkundler der Universität Münster Johannes Kamp der Deutschen Presse-Agentur. „Wir beobachten in den letzten zehn Jahren, dass wir bei früher häufigen Arten große Mengen verloren haben.“ Ein Beispiel sei der früher noch weit verbreitete Star, der in Europa von 1981 bis 2014 um 55 Prozent zurückgegangen sei, wie aus dem European Bird Census Council hervorgehe. Einen Rückgang des Stars belegen laut Kamp auch die Nabu-Daten aus der Volks-Vogelzählung.

Die ganze Bandbreite des Artenschwundes könne die Zählung jedoch nicht erfassen, weil sie einen Schwerpunkt auf Gartenvögel setze. „In Siedlungen treten überwiegend häufige und wenig anspruchsvolle Arten auf“, sagt Kamp. Amseln, Meisen und Spatzen bleiben wahrscheinlich häufige Gäste an den winterlichen Futterhäuschen - Schwankungen nicht ausgeschlossen. „Was uns besonders Sorgen macht, sind die großen Bestandseinbrüche bei den Vogelarten aus dem ländlichen Raum.“

Den Hauptgrund sieht Kamp in der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung immer größerer Flächen und dem Einsatz hochwirksamer Pestizide zur Insektenbekämpfung. Ohne Insekten breche für viele Vögel die Nahrungsgrundlage ein. „Es gibt in unserer Landschaft nur noch wenige unaufgeräumte Flächen“, kritisiert Kamp. Auch in den Wohnbereichen schwinde der Lebensraum: „Siedlungen werden immer steriler. Da sieht man eher Kies und Thujahecken statt Blumenwiesen oder Gemüseanbau.“

Die Folgen des Artenschwundes sind schwer abzusehen. Jeder Einbruch im Ökosystem könne es weiter aus dem Gleichgewicht bringen: „So sind Singvögel wichtig für die Schädlingskontrolle. Ohne sie müssen wieder mehr Pestizide eingesetzt werden“, sagt Kamp. Er sieht auch einen Einfluss einer vitalen Artenvielfalt in der Vogelwelt auf den Menschen: So zeigten Studien, dass das Wohlbefinden in einer Landschaft mit vielen Singvögeln höher sei, als in Landschaften mit geringerer Artenvielfalt. So werde auch er am Wochenende wohl genau hinsehen und dem Nabu melden, welche Vögel er entdecken kann.

Voraussichtlich fällt das Treiben an heimischen Vogelhäuschen in diesem Jahr weniger lebhaft aus als in vergangenen Jahren. Ende 2016 habe es mehrere Meldungen über fehlende Vögel bei Futterhäusern gegeben, berichtet der Nabu. Denkbar sei, dass der Zuzug von Vögeln dieses Jahr geringer war, sagt Nabu-Vogelexperte Lars Lachmann. Möglicherweise fänden viele Vögel wegen des bisher milden Winters auch außerhalb der Gärten Nahrung oder hätten nur wenige Jungvögel aufgezogen. Einen Zusammenhang mit der Vogelgrippe sieht er nicht. Singvögel würden davon nicht befallen.

Im Januar 2016 beteiligten sich an der mit dem bayerischer Landesbund für Vogelschutz organisierten Zählung den Angaben zufolge mehr als 93 000 Menschen, die in 63 000 Gärten und Parks mehr als 2,5 Millionen Vögel zählten. Der Haussperling kam als häufigster Wintervogel auf den Spitzenplatz vor Kohlmeise, Blaumeise, Feldsperling und Amsel. Bestimmungshilfen und einen Meldebogen gibt es auf der Nabu-Internetseite.