„Herbert who?“: Grönemeyer in London

London (dpa) - Nochmal in der zweiten Reihe stehen - höflichen Applaus bekommen, aber sonst auch nicht viel. Herbert Grönemeyer (55) scheint das irgendwie nichts auszumachen. Vielleicht genießt er es sogar.

Denn damit er und seine Kinder ein möglichst normales Leben weit weg von Fotografen und Fans in Deutschland führen können, ist er vor 13 Jahren nach London gezogen. Dort trat er jetzt zwar in der legendären Royal Albert Hall auf - danach konnte er sich aber vermutlich trotzdem locker ohne Sonnenbrille und verdunkelte Scheiben herauswagen.

Am Anfang habe er es recht schwer gefunden, sich in London einzuleben, hat Grönemeyer mal gesagt. Trotzdem blieb er da, damit er als normaler Mensch auf die Straße gehen kann. Mittlerweile scheint er es zu mögen. „Obwohl die Bedingungen hier härter sind, beschweren sich die Menschen hier weniger. Engländer sind nicht so nörgelig wie Deutsche.“ Er nimmt Teile seiner Musik dort auf, unter anderem das Erfolgsalbum „Mensch“ wurde in London eingespielt.

Unter Musikerkollegen hat sich Grönemeyer auch auf der Insel mittlerweile durchaus einen Namen gemacht. In die Albert Hall hatte ihn der britische Swing- und Jazzmusiker Jools Holland eingeladen, mit dem er auch schon in Deutschland einige Konzerte gegeben hatte. Holland ist in seiner Heimat ein Superstar. In seiner eigenen Fernsehshow, die seit fast 20 Jahren läuft, stellt er normalerweise Nachwuchstalente vor und hat ihnen damit nicht selten den Weg zur großen Karriere geöffnet. Er gilt als Zauberer auf den Klaviertasten, seine Live-Konzerte werden regelmäßig zu riesigen Rhythm- and Blues-Parties.

„Darf ich ihnen jemanden vorstellen, den sie vermutlich nicht kennen werden“, kündigte Holland seinen Freund Herbert an. „Hier kann er herumlaufen, als ob er einen Schutzmantel um sich hätte, und wenige erkennen ihn. In Deutschland wäre das unmöglich.“ Stimmt. Seine Open-Air und Hallen-Konzerte in diesem Jahr waren wieder ausverkauft. Für 2012 hat er schon eine neue Tour geplant, für die er umgehend Zusatztermine ankündigen musste, weil die Karten im Rekordtempo weggingen. Sein neues Album „Schiffsverkehr“ kommt bestens an.

Ganz anders in London: Auf der Bühne der Albert Hall, wo Größen wie Bob Dylan, Paul McCartney oder Jimi Hendrix bejubelt worden sind, ist er ein Gast unter Vielen. Er trägt schwarzes T-Shirt und Sakko, singt zwei ruhige Liebeslieder auf Englisch, und sagt auf Englisch: „Es ist ein solches Vergnügen und so eine Ehre, hier sein zu können.“ Das zum allergrößten Teil englische Publikum applaudiert, findet es offenbar gut - und kann es dann nicht mehr abwarten, bis Ruby Turner, Louise Marshall oder Sandie Shaw zu Holland und seinem Rhythm and Blues Orchester dazustoßen und die ehrwürdige Halle im wahrsten Sinne des Wortes zum Beben bringen.

In der Royal Albert Hall sind die meisten Zuschauer ganz offensichtlich nicht wegen Grönemeyer da. Die Stars des Abends sind andere. Am Ende werden sich wohl nur wenige noch an diesen deutschen Sänger - wie hieß er nochmal, ach ja, Herbert - erinnern können. Grönemeyers entspannter Auftritt lässt ahnen: Das dürfte dem deutschen Superstar ganz recht sein.