Hillary Clintons Stuhl wackelt

Die US-Außenministerin kämpft um ihr Ansehen. Präsident Barack Obama lässt ihr keine Chance zu glänzen.

Washington. Eine halbes Jahr nach der Wachablösung in Washington befindet sich ausgerechnet jenes Kabinettsmitglied auf dem absteigenden Ast, das als Außenministerin ein Aushängeschild der neuen US-Regierung werden sollte.

Hillary Clintons Einfluss im Beraterkreis von Präsident Barack Obama lässt nach. Selbst im eigenen Ressort wird die 61-Jährige von Sonderbeauftragten und Staatssekretären ausgestochen.

Nun spekulieren die US-Medien darüber, dass die frühere Rivalin des Präsidenten die erste Amtszeit der neuen Regierung womöglich politisch nicht überlebt. Zugedacht war ihr die Rolle einer Starministerin, einer engen Vertrauten Obamas, die der neuen US-Regierung vom ersten Tag an Glaubwürdigkeit verleihen sollte.

Doch die meisten Auslandsreisen tritt der Präsident ohne seine Chefdiplomatin an. In Krisengebieten wie Afghanistan und Pakistan, auf die Obama militärische und diplomatische Ressourcen konzentriert, vertritt nicht etwa Hillary Clinton, sondern der selbstbewusste Sonderbeauftragte Richard Holbrooke die amerikanische Außenpolitik. Für den Nahen Osten ist der prominente Ex-Senator George Mitchell zuständig.

"Es besteht kein Zweifel", so der Fernsehmoderator und frühere Clinton-Berater George Stephanopoulos, "dass Hillarys Rolle in dieser Regierung von mehreren Seiten systematisch abgewertet wird." Während die US-Öffentlichkeit sich über den verblassenden Stern der früheren First Lady wundert, trägt Clinton ihre offenkundige Herabstufung mit Würde, zumindest nach außen hin.

Bei öffentlichen Auftritten lobt sie ihren Chef als "den richtigen Präsidenten" und ordnet sich scheinbar bereitwillig jenem Mann unter, dessen Job sie selbst haben wollte. Enge Vertraute der Ministerin berichten aber, dass sich hinter dem demonstrativen Schulterschluss Wut und bittere Verzweiflung verbergen.

Einen Höhepunkt erreichte der Frust kürzlich bei einer lange angekündigten außenpolitischen Grundsatzrede, mit der sie sich nach einem blassen Amtsbeginn wieder in Szene setzen wollte. Im Publikum saßen Staatssekretäre und Botschafter, Professoren und Konzernlenker.

Elegant und selbstbewusst referierte Clinton eine halbe Stunde lang über die neuen Prinzipien der US-Außenpolitik. Erst danach erfuhr sie, dass ihr der Präsident wieder einmal die Schau gestohlen hatte. Fast zeitgleich trat nämlich Obama im Rosengarten des Weißen Hauses auf, um die Eckpunkte seiner Gesundheitsreform vorzustellen.

Die Nachrichtensender blendeten sich aus der Live-Übertragung von Clintons Rede umgehend aus. Sie wendeten sich lieber ihrem Präsidenten und den applaudierenden Krankenschwestern zu, die als Kulisse ins Weiße Haus eingeladen worden waren.

Bunte wie seriöse Medien spekulieren nun munter, warum die Ministerin plötzlich kaltgestellt wird. Regierungsquellen, die nicht namentlich zitiert werden wollen, erinnern an den Wahlkampf im vorigen Sommer.

Bis zur Auszählung der letzten Delegiertenstimme hatte sich Hillary Clinton geweigert, Obama als Präsidentschaftskandidaten anzuerkennen, und sogar Ehemann Bill eingespannt, um den Senkrechtstarter der Demokraten zu diskreditieren.

"Der Präsident hat zwar in Anlehnung an sein großes Vorbild Abraham Lincoln frühere Feinde in sein Kabinett aufgenommen", erklärt ein Obama-Berater. "Das heißt aber längst nicht, dass er mit ihnen das Rampenlicht teilen muss."