Historiker und Publizist Arno Lustiger gestorben
Frankfurt/Main (dpa) - Der Historiker und Publizist Arno Lustiger ist tot. Er starb am Dienstag im Alter von 88 Jahren, wie die jüdische Gemeinde in Frankfurt mitteilte. Lustiger hatte den Holocaust überlebt und galt als wichtige akademische Instanz für die Geschichte der Juden in dieser Zeit.
„Seine größte Leistung war es, den jüdischen Widerstand während der Shoa dem Vergessen entrissen zu haben“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, der Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch. „Ich habe sehr viel von ihm gelernt, er wird uns fehlen.“ Lustiger, der seit einiger Zeit krank war, wird am kommenden Freitag (18.5.) in Frankfurt beigesetzt.
Lustiger wurde am 7. Mai 1924 im oberschlesischen Bedzin in Polen geboren. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen ging er in den Widerstand und wurde verhaftet. Er überlebte sechs Konzentrationslager und zwei Todesmärsche. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieb er in Frankfurt und war maßgeblich am Aufbau der dortigen jüdischen Gemeinde beteiligt. Auch die Gemeinde sprach am Mittwoch von einem großen Verlust.
Nicht zuletzt das eigene Schicksal hatte den einstigen Textilhändler dazu bewogen, sich wissenschaftlich mit der Geschichte des Holocaust und der Juden zu befassen. Erst im Alter entwickelte er sich trotz fehlender Hochschulbildung zu einem anerkannten Historiker. Er wollte unter anderem die These widerlegen, dass die Juden in der Nazi-Zeit willenlose Opfer waren. Bekannt wurde Lustiger mit Werken wie „Zum Kampf auf Leben und Tod“ und „Rotbuch - Stalin und die Juden“.
Das Internationale Auschwitz-Komitee reagierte „mit großem Schmerz“ auf die Nachricht vom Tod Lustigers. „Arno Lustiger hat als Zeuge und als Mitbürger die Wahrheit über die Geschichte von Auschwitz und den Holocaust an die Menschen in Deutschland und Europa weitergegeben“, sagte Vizepräsident Christoph Heubner laut Mitteilung. Seine Arbeit habe Deutschland zur Ehre gereicht.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) zeigte sich betroffen. „Die dunkelste Epoche unserer Geschichte hat Arno Lustiger als Zeitzeuge auf kluge und tiefgründige Art und Weise beleuchtet“, sagte Bouffier laut Mitteilung in Wiesbaden. „Wir trauern um einen charismatischen Aufklärer, der alle Grausamkeiten des Holocausts überlebt hat.“
Die Grünen erinnerten an die Rede Lustigers im Bundestag zum 60. Gedenktag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Januar 2005. Darin hatte er auf die sogenannten Todesmärsche hingewiesen, denen Tausende KZ-Häftlinge zum Opfer fielen. „Mit Arno Lustiger verlieren wir einen aufrechten Streiter für die Menschenrechte und die Aufarbeitung der Geschichte“, sagten die Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin in einer Mitteilung. Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte, Lustiger habe die Spuren der Menschlichkeit und der Hoffnung im Kampf gegen die Barbarei dokumentiert.
Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) würdigte Lustiger als einen bedeutenden Historiker, der sich um die Erinnerungskultur in Deutschland verdient gemacht habe. An den Schulen des Rhein-Main-Gebiets habe er als Zeitzeuge über seine Kindheit in Polen, die Besetzung des Landes durch die Deutschen und die Zeit in den Arbeits- und Konzentrationslagern berichtet. Die Stadt hatte Lustiger 1998 mit der Goetheplakette ausgezeichnet.