Historiker und Zeitzeuge Wolfgang Leonhard gestorben
Manderscheid (dpa) - Der Historiker und Russlandexperte Wolfgang Leonhard ist tot. Er starb am Sonntagmorgen im Alter von 93 Jahren nach schwerer Krankheit in einem Krankenhaus in Daun in der Eifel, sagte seine Frau Elke Leonhard der Nachrichtenagentur dpa.
Leonhard war der letzte noch lebende Zeitzeuge aus dem innersten Führungskreis der deutschen Kommunisten, der nach 1945 die Gründung der DDR vorbereitete. Seine Wandlung vom begeisterten Kommunisten zum Sowjetkritiker beschrieb er 1955 in dem Bestseller „Die Revolution entlässt ihre Kinder“.
„Es war ein langer Kampf“, sagte Elke Leonhard. Ihr Mann habe seine schwere Krankheit über Monate „stoisch ertragen“ und die letzten 100 Tage nur in Kliniken verbracht. Ein Termin für die Gedenkfeier werde später festgelegt, um Kollegen und einstigen Studenten die Teilnahme zu ermöglichen. Leonhard hatte 21 Jahre lang bis 1987 als Professor an der US-Eliteuniversität Yale über die Sowjetunion und den Kommunismus gelehrt.
Leonhard war 1945 als Mitglied der „Gruppe Ulbricht“ - so benannt nach dem späteren DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht - aus Moskau nach Deutschland zurückgekehrt. Er war 1935 mit seiner vom Kommunismus begeisterten Mutter in die UdSSR geflohen und später zum Führungskader ausgebildet worden. In der sowjetischen Besatzungszone wuchs seine Gegnerschaft zum Stalinismus. 1949 floh er nach Jugoslawien und wenig später in die Bundesrepublik.
Als ausgewiesener Sowjetexperte und wichtiger Zeitzeuge war Leonhard bis ins hohe Alter sehr gefragt. Die letzte Jahre verbrachte er vor allem in seinem Haus im Eifelstädtchen Manderscheid - umgeben von mehr als 6000 Büchern über die UdSSR und die DDR, mit der Analyse des real existierenden Kommunismus.