Hollywoods Marathon-Mann
Für ältere Schauspieler habe die Traumfabrik kaum Rollen mit Tiefgang, klagt Dustin Hoffman. Am Mittwoch wird er 75.
New York. Schwierige Typen zu spielen, ist Dustin Hoffmans Stärke. Der zweifache Oscar-Preisträger machte als Autist in „Rain Man“ Furore, erregte als verkrüppelter Kleingauner Rizzo in „Asphalt Cowboy“ Mitleid und wechselte in „Tootsie“ das Geschlecht, um sich die Hauptrolle in einer Fernseh-Seifenoper zu angeln. Die Suche nach Herausforderungen vor der Kamera ist auch im richtigen Leben des gefeierten Amerikaners ein Thema geworden. Hoffman wird am Mittwoch 75 Jahre alt.
Für ältere Schauspieler, so klagt er, gebe es kaum mehr Rollen mit Tiefgang. Und den Ruhestand schiebt er noch vor sich her. „Ich mag es nicht, dass ich so schnell älter werde, aber ich mag es, gut zu altern“, sagte er. Weil die Filmstudios nur noch selten bei ihm anklopfen, sattelte Hoffman wie andere reife Hollywood-Kollegen zum TV um. In der Prestige-Serie „Luck“ mimte er neben Nick Nolte einen alternden Wettpaten. Dieser kehrt aus dem Gefängnis in die Rennsport-Szene zurück und schmiedet dort Rachepläne.
Aber „Luck“ stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Schon 2010 und 2011 stürzten zwei Pferde bei Rennszenen am Set und mussten eingeschläfert werden. Nach dem Tod des dritten Pferdes im März stellte der Sender die Serie kurzerhand ein und schickte ihre Stars nach Hause.
Seit seinem Durchbruch mit der Satire „Die Reifeprüfung“ 1967 war der kleine, schmächtige Mann mit dem schüchternen Lächeln jedes Jahr mit wenigstens ein bis zwei neuen Filmen im Kino. Dabei war die Schauspielerei anfangs nur eine Notlösung. Er fiel am College durch und wollte nicht zum Militär. Als ihm ein Freund zur Bühne riet, schrieb sich Hoffman beim Pasadena Playhouse College ein — und wurde zum Superstar, geehrt mit zwei Oscars und fünf Golden Globes.
Begeisterte Kritik erhielten 1976 auch „Der Marathon-Mann“ und der Watergate-Film „Die Unbestechlichen“, in dem Hoffman und Robert Redford als Reporter der „Washington Post“ den Skandal um Präsident Richard Nixon ins Rollen bringen. Seinen ersten Oscar bekam Hoffman 1979 als alleinerziehender Vater im Scheidungsdrama „Kramer gegen Kramer“, der zweite folgte 1988 für seine feinfühlige Darstellung im Drama „Rain Man“.
Für die Rolle des Autisten hatte er ein ganzes Jahr Beobachtungen in psychiatrischen Kliniken betrieben. Co-Star Tom Cruise würdigte später seine „grenzenlose Neugier“. Hoffman trete erst dann vor die Kamera, wenn er „die absolute Wahrheit der Person ergründet hat, die er porträtiert“, sagte Cruise. Damals wurde Hoffman noch nicht einmal 60-jährig mit dem Cecil B. DeMille Award für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
In Hollywood genießt er den Ruf als Perfektionist, aber auch als Dickschädel. Von Regisseur Sydney Pollack ist der Seufzer überliefert: „Ich würde den Oscar sofort hergeben, wenn ich die neun Monate meines Lebens zurückhaben könnte, die ich mit Dustin beim Drehen verbracht habe.“
Ihn plage stets die Angst, nicht zu genügen, räumte Hoffman, Sohn jüdischer Eltern aus Rumänien, in der Zeitschrift „Park Avenue“ ein. „In meiner Jugend bin ich überall durchgefallen. Ich hab’ kaum die Schule geschafft. In meiner Familie galt ich als ein Versager.“ Und weiter: „Bis ich 31 war, habe ich unter der amerikanischen Armutsgrenze gelebt.“