Hunderte im Zug steckengeblieben - Panik im Dunkeln

Alptraum für hunderte Zugreisende: Bei frostigen Temperaturen steckt ein Regionalexpress im Dunkeln stundenlang auf freier Strecke fest - ohne Strom. Es gibt kein Licht, keine Heizung, keine Durchsagen. Die Türen bleiben geschlossen. Panik kommt auf.

Hamburg/Lübeck. Irgendwann halten die Menschen im Zug die Situation nicht mehr aus. Einige versuchen Scheiben einzuschlagen, andere öffnen die Notverriegelung der Türen und laufen im Dunkeln über die Gleise - unter Lebensgefahr, denn auf den Nebengleisen fahren noch Züge.

Stundenlang hing ein Regionalexpress am Donnerstagabend zwischen Hamburg und Lübeck fest. Wegen eines Schadens an der Oberleitung stand der Zug von 16.33 bis 20.33 Uhr auf freier Strecke bei Tremsbüttel, bestätigte der Hamburger Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis am Freitag einen Bericht von NDR1 Welle Nord. Wegen des Rückstaus waren insgesamt 38 Züge von dem Stromausfall betroffen.

Tausende saßen an den Bahnhöfen in Ahrensburg und Bargteheide in der Kälte fest. Erst am späten Donnerstagabend lief der Bahnverkehr zwischen Hamburg und Lübeck wieder normal, sagte Meyer-Lovis. Er räumte Fehler der Bahn ein: „Es hat eindeutig zu lange gedauert, bis die Fahrgäste den Zug verlassen konnten und eine Ersatz-Diesellok zur Stelle war.“

Nachdem die Batterien des Zuges erschöpft waren, fielen Heizung und Beleuchtung aus. Auch Durchsagen des Personals waren nicht mehr möglich. Aus Sicherheitsgründen habe der Zugführer die Türen nicht öffnen dürfen, erläuterte der Sprecher. Ein Pendler schilderte den „Lübecker Nachrichten“ die Situation: „Einige Fahrgäste hatten Panik, weinten, riefen um Hilfe. Sie glaubten an einen Anschlag.“

Mehreren Passagieren sei es gelungen, aus dem Zug zu klettern. Auf dem Gleis sei eine ältere Frau kollabiert. Andere riefen per Handy die Polizei, wie diese in Bad Oldesloe bestätigte. Die Bundespolizei führte rund 150 Reisende zu einem nahe gelegenen Bahnübergang in Sicherheit. Helfer brachten sie in einer Turnhalle und einem Feuerwehrgerätehaus in Tremsbüttel unter.

Einige mussten wegen Unterkühlungen und Kreislaufproblemen behandelt werden. Die anderen Reisenden blieben im Zug. Der Fahrgastverband Pro Bahn und die Bundespolizei kritisierten das Krisenmanagement der Bahn. „Es gibt eine Zeitlücke von ein bis zwei Stunden, in der wir zu spät informiert worden sind“, sagte Gerhard Stelke, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Kiel.

Thomas Rettmer vom Fahrgastverband Pro Bahn sagte: „Es ist sehr fahrlässig, wenn man die Menschen im Zug wie im Gefängnis stundenlang sitzen lässt ohne Licht. Angesichts der Ängste wegen der jüngsten Terrorwarnungen dürfte das für viele Menschen im Zug eine gruselige Situation gewesen sein - nicht alle sind nervenstark.“ Bei einem Krisengespräch am Freitag wollte die Bahn Konsequenzen aus den Vorfällen ziehen. Fahrgäste des Zuges sollten sich bei der Regionalbahn in Kiel melden, sagt Meyer-Lovis. Er kündigte eine kulante Entschädigungsregelung an.