Interview Ingo Zamperoni: „Journalistisch sind das spannende Zeiten“
Zamperoni kennt und mag die USA. Aber das Land hat sich unter Donald Trump verändert. Was machen die Medien richtig — und was eher nicht?
Berlin. Als der ARD-Journalist Ingo Zamperoni 2016 aus Washington zurück nach Deutschland kam, war Barack Obama noch US-Präsident. Seitdem hat sich in den USA vieles verändert. Zamperoni (44) hat sich dort inzwischen erneut umgesehen, um herauszufinden, was Donald Trump ins Weiße Haus gebracht hat und wie die Amerikaner heute über ihren Präsidenten denken. Die Medien machten vieles richtig im Umgang mit Trump, findet er. „Aber sie sind auch sehr obsessiv mit jeder kleinen Drehung, jeder Wendung“, sagt er im Gespräch.
Herr Zamperoni, Sie haben mal gesagt, der Korrespondentenjob in Washington sei immer ihr Traumjob gewesen, wie wäre das jetzt unter Trump - immer noch ein Traumjob?
Ingo Zamperoni: Doch, wär‘s nach wie vor, denn es ist ja auch eine Herausforderung, über so eine Präsidentschaft zu berichten. Und vor allem ist es auch eine Herausforderung, sie nicht einseitig darzustellen, sie zu erklären, so unverständlich manches für viele in Deutschland ist. Ich glaube, journalistisch sind das schon auch spannende Zeiten.
Ist die Arbeit für Korrespondenten schwieriger geworden?
Zamperoni: Klar, ich habe auch Kollegen im ARD-Studio in Washington, die mir sagten, sie waren unterwegs in den Trump-Hochburgen und sind beschimpft worden und fast schon körperlich angegangen. Wenn der Präsident die Medien als Feinde des Volkes bezeichnet, dann hat das Auswirkungen.
Machen die Medien etwas falsch im Umgang mit Trump?
Zamperoni: Ja und nein. Sie machen sehr viel richtig, weil sie sich nicht einschüchtern lassen, weil sie recherchieren, weil sie hartnäckig bleiben. Aber sie sind auch sehr obsessiv mit jeder kleinen Drehung, jeder Wendung. Mein Schwiegervater sagt dann immer, Trump kann gar nicht aufs Klo gehen, ohne dass die Medien ihm vorwerfen, er hätte das falsche Klopapier benutzt. Und da ist auch was dran. Da ist vielleicht manchmal zu viel Schaum vor dem Mund. Aber insgesamt, wenn man sich anguckt, was beispielsweise „New York Times“ und „Washington Post“ leisten, die sind auch wachgerüttelt und beim Ehrgeiz gepackt worden.
Haben die deutschen Medien auch manches falsch gemacht, was das Bild der USA unter Trump angeht, das sie gezeichnet haben?
Zamperoni: Ich glaube, das war oft auch in Deutschland so, am Anfang noch mehr, inzwischen weniger. Es gibt wohl auch kaum ein Land, das sich so empört hat über diesen Präsidenten wie wir, wir haben einfach ein spezielles Verhältnis zu den USA. Die Euphorie bei Obama war auch ein bisschen übertrieben, da war auch nicht alles Gold, was glänzt. Der wäre hier mit 99 Prozent gewählt worden, da sind wir auch irrational.
Sind die USA ein anderes Land geworden, seit Trump Präsident ist?
Zamperoni: Ich glaube schon, dass diese Präsidentschaft eine Zäsur ist und viele Grenzen verschiebt, die nach ihr nicht mehr so leicht zurückzuschieben sind. Wenn der Geist erstmal aus der Flasche ist, dann ist er nicht mehr reinzukriegen. Das betrifft den Ton, den Umgang miteinander und auch die Tatsache, dass viele, in erster Linie weiße Amerikaner mit so einem Gestus auftreten „Jetzt sind wir wieder dran!“.
Die Medien kritisieren Trump, aber wie sehen ihn seine Wähler?
Zamperoni: Je mehr Medien und Comedians Sturm laufen oder sich lustig machen über ihn, um so mehr fühlen sich seine Anhänger selbst angegriffen. Ein Trump-Wähler hat wenig Grund, enttäuscht zu sein: Steuerreform umgesetzt, viele Bundesrichter auf Lebzeiten ernannt, die Wirtschaft brummt, der Aktienmarkt geht durch die Decke, drei Amerikaner in Nordkorea freigekommen — das wird Trump zugeschrieben von seinen Fans.
Was macht Ihnen an Donald Trump am meisten Angst?
Zamperoni: Das Eine ist, dass er dieses Land so spaltet, dass die Gräben nicht mehr überbrückbar sind und dass da dann auch keine Kommunikation mehr möglich ist. Und das Andere ist, dass er das Vertrauen der Gesellschaft in die Institutionen, in die Gerichte, ins FBI, in die Polizei unterminiert und dass dadurch die gemeinsamen Nenner immer weniger werden. Auch durch die Fake-News-Vorwürfe — weil die Folge nicht ist, dass einer mal was Falsches glaubt, sondern wie nach dem berühmten Hannah-Arendt-Satz keiner mehr irgendwas glaubt. Und mit einem Volk, das gar nichts mehr glaube, könne man machen, was man will.