Analyse „Rexit“ in Washington: Trump feuert Außenminister Tillerson

Washington (dpa) - Die Frage kam in beinahe jedem Briefing, das Rex Tillersons Sprecherin Heather Nauert in Washington für die internationale Presse, aber auch für den eigenen diplomatischen Dienst gab: „Warum wurde Rex Tillerson nicht eingebunden?

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Bei den ganz großen außenpolitischen Themen schien das Weiße Haus von Präsident Donald Trump den eigenen Außenminister immer mehr zu übergehen.

Als Trump zuletzt sein möglicherweise bevorstehendes Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un ankündigte, war Tillerson in Afrika und machte politische Kärrnerarbeit im Kampf gegen den internationalen Terrorismus - in Ländern, die Trump vor kurzem noch als „Shitholes“ bezeichnet haben soll. Tillerson war noch nicht richtig zurück in Washington, da war er schon entlassen. Stabschef John Kelly soll ihn noch in Afrika informiert haben. CIA-Chef Mike Pompeo soll Tillerson ersetzen. Wenig später folgte auch noch der Rauswurf von Staatssekretär Steven Goldstein, der sich erlaubt hatte, die Modalitäten der Trennung und die Tatsache, dass Tillerson nicht freiwillig ging, öffentlich zu machen.

Der „Rexit“, wie US-Medien den Rauswurf von Außenminister Tillerson wegen dessen Vornamens süffisant nennen, kam mit einem Donnerschlag und beendete die kurze politische Karriere des 65-Jährigen aus Texas, der jahrzehntelang als Unternehmer mit ExxonMobil einen der größten Ölkonzerne der Welt erfolgreich führte. Tillerson, anfangs nur ein Ersatzkandidat nach einem Strauß prominenter Absagen, wurde von Beginn an als Stimme der Vernunft in Donald Trumps teils wild zusammengewürfeltem Kabinett gesehen.

Der zweite „Erwachsene“ im Kabinett, Verteidigungsminister James Mattis, verliert mit Tillersons Abgang einen wichtigen Verbündeten. Noch im Januar hatte der Pentagon-Chef erklärt, er spreche manchmal bis zu zwei, drei Mal am Tag mit dem Außenminister. Beide vertreten ähnliche politische Ansichten.

Wenn es um den Konflikt mit Nordkorea ging, legte Mattis oft sehr viel Wert darauf, zu betonen, dass im Umgang mit der Krise der diplomatische Ansatz Vorrang habe. Er vergaß dabei nie zu erwähnen, dass Tillerson das Zepter in der Hand habe.

Als der Verteidigungsminister am Sonntag nach seiner Einschätzung zu dem geplanten Treffen zwischen Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un gefragt wurde, wollte er nichts sagen. Mattis sagte, er wolle dies lieber den Personen überlassen, die in die Diskussionen involviert seien. Pompeo hingegen redete. In der Sonntagsshow von Trumps Haus- und Hofsender Fox News äußerte er sich ausführlich über das geplante Treffen mit den Nordkoreanern.

Gemeinsam mit Stabschef John Kelly und Mattis helfe Tillerson „unser Land vom Chaos fernzuhalten“ hatte einst der republikanische Außenexperte und Trump-Kritiker im US-Senat, Bob Corker erklärt. US-Medien berichten seit geraumer Zeit von einem „Selbstmord-Pakt“, den Mattis, Finanzminister Steven Mnuchin und Tillerson geschlossen hätten: Wenn einer gefeuert wird, gehen alle.

Auch wenn dieses Szenario zunächst übertrieben erscheint: Die Regierungsmannschaft von Donald Trump wird mit Tillersons Weggang weniger moderat - ein Rechtsruck. Zumal auch die wirtschaftspolitische Taube im Kabinett, Gary Cohen, erst vor wenigen Tagen ausgeflogen ist. Für Cohens Nachfolge gelten mit Peter Navarro und Larry Kudlow zwei erzkonservative Wirtschafts-Nationalisten als Favoriten.

Der Präsident selbst führte am Dienstag explizit die vorsichtige Herangehensweise Tillersons beim Thema Iran als einen der ausschlaggebenden Denkunterschiede zum bisherigen Chefdiplomaten an. Der designierte Nachfolger Mike Pompeo, ein außenpolitischer Falke, liegt da deutlich mehr auf der Linie von Haudrauf Trump - und des israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Beide wollen den Ausstieg aus dem gemeinsamen Atomdeal. Pompeo gilt nicht als Typ, der dagegen aufbegehren würde, sondern eher als loyaler Ja-Sager. „Pompeo spiegelt meine Denkweise eher als Tillerson“, sagte Trump.

„Man kann annehmen, dass der Präsident mit Mike Pompeo einen Außenminister bekommt, der mehr auf seiner Linie liegt“, sagte der frühere Sprecher des Ministeriums, John Kirby. Alles andere wäre auch eine große Überraschung. Denn Tillerson lag oft im Clinch mit Trump. Als der Außenminister in Sachen Nordkorea nach Trumps öffentlichen Beleidigungen um einen diplomatischeren Ton bat, warf ihm Trump ebenfalls auf Twitter vor, er verschwende nur Zeit. Auch beim Klimaschutz liegt Tillerson komplett überkreuz mit dem Weißen Haus.

Das Außenministerium unter Tillerson sahen viele langjährige Beobachter an der Grenze der Handlungsfähigkeit. Botschafter nahmen aus Frust ihren Hut, andere wurden gar nicht erst benannt. Wichtige Länder wie Deutschland oder Südkorea haben derzeit keinen US-Botschafter - ein Versäumnis des Weißen Hauses, das für die Nominierung zuständig ist, nicht des Außenministeriums.

Bereits im November waren Spekulationen ins Kraut geschossen, Tillerson stehe vor der Ablösung. Einige Medien hatten damals berichtet, die Entscheidung werde in „einigen Monaten“ reif sein. Seitdem sind dreieinhalb Monate vergangen. Tillersons Sprecherin Nauert hatte damals alle Spekulationen dementiert. Auch die, dass Tillerson Trump hinter verschlossenen Türen einen „Idioten“ genannt haben soll. Der Präsident hatte seinem Außenminister wenig später einen IQ-Test angeboten.