BGH-Entscheidung Kundin bleibt Kunde: Klägerin unterliegt im Formularstreit

Karlsruhe (dpa) - „Kunde“, „Kontoinhaber“, „Sparer“ - wenn's ums Geld geht, bleibt die Formularwelt männlich. Einen Anspruch auf weibliche Formen gibt es nicht, stellte der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe klar.

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Sparkassen-Kundin Marlies Krämer, engagierte Kämpferin für Frauenrechte aus dem saarländischen Sulzbach, ist damit vor dem höchsten deutschen Zivilgericht unterlegen. Doch aufgeben will die 80-Jährige deshalb noch lange nicht. „Ich ziehe auf jeden Fall vor das Bundesverfassungsgericht“, kündigte sie nach dem Urteil an. Notfalls will sie die weibliche Formular-Sprache vor dem Europäischen Gerichtshof durchsetzen.

Schließlich hat die „bekennende Feministin“ im Laufe ihres Lebens schon andere Schlachten für sich entschieden. So verzichtete sie in den 90er Jahren so lange auf einen Pass, bis sie als „Inhaberin“ unterschreiben konnte. Später sammelte sie erfolgreich Unterschriften für weibliche Wetter-Hochs - davor wurden Frauennamen nur für Tiefs verwendet.

Seit fünf Jahren nun bläst sie zum vorerst letzten Gefecht: Weil ihre Sparkasse die Forderung ignorierte, sie in Formularen als Frau anzureden, zog sie vor Gericht. „Ich sehe das überhaupt nicht mehr ein, dass ich als Frau totgeschwiegen werde.“ Es sei ihr Recht, als Frau in Sprache und Schrift erkennbar zu sein.

Das Amtsgericht und später das Landgericht Saarbrücken sahen das nicht ganz so: Schwierige Texte würden durch die Nennung beider Geschlechter nur noch komplizierter. Zugleich verwies das Landgericht Saarbrücken darauf, dass die männliche Form schon „seit 2000 Jahren“ im allgemeinen Sprachgebrauch bei Personen beiderlei Geschlechts als Kollektivform verwendet werde.

Die Revision gegen dieses Urteil hat der BGH nun zurückgewiesen (VI ZR 143/17). Die männliche Formularsprache verstoße nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und auch nicht gegen Artikel 3 des Grundgesetzes, nach dem Mann und Frau gleichberechtigt sind. Die männliche Form könne „geschlechtsblind“ verwendet werden; eine Geringschätzung des anderen Geschlechts komme damit nicht zum Ausdruck.

Der VI. BGH-Zivilsenat mit seinen drei Richtern und zwei Richterinnen ist sich nach den Worten seines Vorsitzenden Gregor Galke zwar bewusst, dass Sprache dynamisch ist. In Gesetzgebung und in der Verwaltung werde so das Ziel verfolgt, „die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen“. Gleichwohl werde weiterhin in zahlreichen Gesetzen das verallgemeinernde Maskulinum verwendet. „Dieser Sprachgebrauch des Gesetzgebers ist zugleich prägend wie kennzeichnend für den allgemeinen Sprachgebrauch und das sich daraus ergebende Sprachverständnis.“

Die Klägerin sei auch nicht in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt, weil die Sparkasse sie im persönlichen Gespräch oder in Briefen als „Frau“ anspricht. Ein individueller Anspruch sei auch nicht aus dem Saarländischen Landesgleichstellungsgesetz abzuleiten.

Moralische Unterstützung bekam die Klägerin von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Deren Leiterin Christine Lüders sagte zu dem Urteil: „Sprache verändert sich und reflektiert die Fortschritte bei der gesellschaftlichen Gleichstellung von Frauen und Männern.“ Deshalb sei der Einsatz der 80-Jährigen zu würdigen, die sich seit vielen Jahren für Geschlechtergerechtigkeit engagiere.

Marlies Krämer, die den Ausgang des Rechtsstreits von Sulzbach aus verfolgte, hat bis zuletzt auf einen anderen Richterspruch gehofft. Sie findet: „Der BGH hat eine Chance verpasst.“ Das meint auch Maria Wersig, die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes. „Es ist bedauerlich, dass der BGH zu keiner anderen Entscheidung kommen konnte.“ Aus ihrer Sicht hat Marlies Krämer mit der Klage dennoch viel erreicht. „Sie hat viel Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt und den Finger in die Wunde gelegt.“ Denn, so betont die Dortmunder Juraprofessorin: „In Sachen geschlechtergerechter Sprache bleibt viel zu tun.“

Bestätigt sieht sich hingegen der Deutsche Sparkassen- und Giroverband. Er kann nun weiterhin das Maskulinum als einheitliche Form der Ansprache in über 800 verschiedenen Vordrucken verwenden, um schwierige Vertragstexte nicht noch komplizierter zu machen. Dass Frauen dadurch nicht diskriminiert werden, habe der BGH klargestellt, sagt Verbandssprecher Stefan Marotzke.