Porträt Kardinal Lehmann war Brückenbauer und Modernisierer

Mainz (dpa) - Kardinal Karl Lehmann ist viele Jahre das Gesicht der katholischen Kirche in Deutschland gewesen. Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz prägte er eine ganze Ära - von 1987 bis 2008 stand er den Oberhirten vor und wurde so zu einem der prominentesten deutschen Katholiken.

Foto: dpa

Lehmann war eher ein Mann der leisen und besonnenen Töne, dennoch verschaffte er sich mit klugen Gedanken immer wieder Gehör in den öffentlichen Debatten. Der beliebte Oberhirte mit dem dröhnenden Lachen erarbeitete sich auch als Theologe und Buchautor weltweit Ansehen. Am Sonntag ist Lehmann nach längerer Krankheit im Alter von 81 Jahren gestorben.

Vor knapp einer Woche hatte sein Nachfolger, Bischof Peter Kohlgraf, in einem Schreiben an die Pfarrgemeinden und Mitarbeiter davon gesprochen, dass sich der 81-Jährige „auf den Weg macht - das letzte Stück seiner irdischen Pilgerreise“. Seit September 2017 hatte Lehmann laut Bistum mit den Folgen eines Schlaganfalls und einer Hirnblutung gekämpft. Am Schluss seien ihm merklich die Kräfte geschwunden.

Dem Kardinal war nur ein kurzer Ruhestand vergönnt - erst im Mai 2016 hatte diese Lebensphase mit seinem 80. Geburtstag begonnen. Zu seinem Nachfolger als Oberhirte wurde erst 15 Monate später Kohlgraf geweiht. Das geschichtsträchtige Bistum liegt zu zwei Dritteln in Hessen und zu einem Drittel in Rheinland-Pfalz, dazu kommt die Exklave Bad Wimpfen in Baden-Württemberg.

Geboren wurde „unser Karl“, wie ihn die Mainzer und auch hessische Katholiken liebevoll nannten, am 16. Mai 1936 als Sohn eines Dorfschullehrers im schwäbischen Sigmaringen. Er entschied sich erst ein halbes Jahr vor dem Abitur für den Priesterberuf. Als er 1983 vom Mainzer Domkapitel zum Oberhirten gewählt wurde, war er Theologieprofessor in Freiburg. Bis Mai 2016 wirkte Lehmann als Bischof von Mainz. Das war die drittlängste Amtszeit in der mehr als tausendjährigen Geschichte des Bistums.

Auf den Kardinalstitel musste Lehmann länger warten, erst 2001 läuteten die Glocken des Mainzer Doms eine Viertelstunde lang zu seiner Ernennung. Dies bezeichnete Lehmann als einen der Höhepunkte seiner langen Kirchenkarriere. Es gab indes auch den Nachsatz: „Aber ich habe nie ein Leben nach Höhe- und Tiefpunkten beurteilt.“

Beobachter hatten damals schon früher mit seiner Kardinalsernennung gerechnet - doch Lehmann hatte sich mit seinen Äußerungen nicht immer nur Freunde im Vatikan gemacht. So etwa, wenn er über verheiratete Priester sinnierte: „Und wenn ich zum Beispiel manchen verheirateten Diakon erlebe, da gibt es ganz hervorragende Leute, da kann ich mir vorstellen, dass so jemand in einigen Jahren durchaus die Priesterweihe erhalten kann.“ Oder mit seinem gemäßigt liberalen Kurs bei der Schwangeren-Konfliktberatung und bei wiederverheirateten geschiedenen Katholiken.

Das fiel noch in die Zeit vor dem heutigen Papst Franziskus, der mit seinem Kurs alte Verkrustungen in der 2000-jährigen katholischen Kirche aufbrechen will. Lehmann, der selbst als liberaler Brückenbauer galt, urteilte nach dem Amtsantritt des Pontifex: „Franziskus hat einen wirklich kräftigen Start hingelegt.“

Als Vertreter eines reformfreundlichen Kurses trieb Lehmann zudem stets die Ökumene voran. Ende Oktober wurde er dafür als erster Katholik mit der Luther-Medaille der Evangelischen Kirche in Deutschland geehrt. „Ein Mittler zwischen Kirche und Staat, aber auch zwischen den Religionen und sogar zwischen Kirche und Sport“, lobte ihn einmal Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU).

In Mainz und Umgebung war Lehmann mit seiner offenen Art beliebt, später wurde er zum Ehrenbürger der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt ernannt. Selbst im Fußballstadion war das Ehrenmitglied von Erstligist FSV Mainz 05 hin und wieder anzutreffen.

Eingeschaltet in öffentliche Diskussionen hatte sich Lehmann bis zuletzt. So sagte er der „Zeit“ Ende Juni 2017 nach dem Tod des langjährigen Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) über den Streit zwischen der Witwe und den Söhnen: „Im Übrigen darf ein Mann wie Helmut Kohl in seiner Würde und seinen Verdiensten nicht nur nach familiären Gesichtspunkten beurteilt werden.“