Schulen in NRW Inklusion — Lehrer rufen um Hilfe

Beim gemeinsamen Lernen von Schülern mit und ohne Behinderung sehen Schulleiter noch viele Mängel.

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Düsseldorf. Gut ein Jahr nach der gesetzlichen Verankerung des gemeinsamen Lernens behinderter und nichtbehinderter Schüler in NRW malt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ein düsteres Bild. Wenn Inklusion an den Schulen gelingen soll, müsse es vor allem diese Verbesserungen geben: Landesweit brauche es etwa 7000 mehr Stellen für Sonderpädagogik. Räumlichkeiten in den allgemeinen Schulen müssten barrierefrei werden. Und man brauche Material für differenziertes Lernen. In den Tagesablauf an den Schulen müssten Zeitinseln eingebaut werden, in denen sich Regelschullehrer mit Sonderpädagogen beraten.

Diese Punkte sind das Fazit aus einer Umfrage, die die GEW am Dienstag in Düsseldorf vorstellte. Online wurden Schulleiter an allen NRW-Schulen befragt. Die Beteiligung, so GEW-Chefin Dorothea Schäfer, sei mit 21,4 Prozent bei den allgemeinen Schulen und 29,2 Prozent bei den Förderschulen so hoch, dass die Ergebnisse repräsentativ seien.

Schäfer: „Das Stellenbudget für den sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf für Lernen, Sprache, emotionale und soziale Entwicklung reicht nicht, um den Bedarf an den Schulen zu decken.“ Vielmehr brauche man pro Schule eine zusätzliche Stelle für sonderpädagogische Förderung und eine halbe Stelle für Beratung und Absprachen. Das summiere sich zu den schon früher geforderten 7000 Stellen.

Auch Schäfer findet, „dass Inklusion ein Menschenrecht ist. Aber dafür brauchen wir andere Bedingungen.“ Meist seien die Klassen viel zu groß. Bei mehr als einem Viertel der allgemeinen Schulen liegt die Klassengröße nach den Ergebnissen der Umfrage bei 25 oder mehr Schülern.

Von der Formel 20—5—2 sei man weit entfernt. Damit ist das Idealbild gemeint, das der GEW für eine funktionierende inklusive Schule vorschwebt: Maximal 20 Schüler pro Klasse, darunter maximal fünf mit Förderbedarf und Doppelbesetzungen auf Lehrerseite.

Auf eine weitere Schwachstelle, die die Umfrage deutlich gezeigt habe, macht Gerd Weidemann von der GEW aufmerksam: „Für die Lehrkräfte an den allgemeinen Schulen bewerten 64 Prozent der Schulleiter die vorhandenen Fortbildungsangebote als nicht ausreichend.“ Insbesondere fehlten praxisorientierte Fortbildungsangebote.

Rixa Borns vom Fachgruppenausschuss Grundschule der GEW weist auf ein besonderes Problem bei den jüngsten Schülern hin: „In den Grundschulen kann seitens der Schule der Unterstützungsbedarf bei Lern- und Entwicklungsstörungen erst im dritten Schulbesuchsjahr festgestellt werden.“ In den ersten beiden Klassen werde ein Unterstützungsbedarf vielleicht diagnostiziert, nicht aber formal festgestellt. So sei frühzeitige Hilfe oft nicht möglich.

Die Opposition im NRW-Landtag nahm die GEW-Umfrage zum Anlass deutlicher Kritik. Die Piraten fordern, die Landesregierung müsse „endlich nachsteuern, sonst bleibt Inklusion in NRW ein Etikettenschwindel“.

Die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Yvonne Gebauer urteilt: „Das rot-grüne Vorhaben, mit unzureichender Vorbereitung und mangelnden Ressourcen an einer Vielzahl von Schulen inklusiven Unterricht zu etablieren, ist erkennbar gescheitert.“ Es sei unverantwortlich, die Umsetzung der Inklusion auf dem Rücken der Lehrkräfte auszutragen. Gebauer: „Rot-Grün muss endlich aufhören, sich gegenüber der unisono vorgetragenen Kritik taub zu stellen. Wir reden von den Lebenschancen der Kinder.“

Für die SPD versichert die Landtagsabgeordnete Eva-Maria Voigt-Küppers: „Wir werden uns intensiv mit den Ergebnissen der Umfrage auseinandersetzen. Wir haben immer betont, dass wir uns am Beginn eines Prozesses befinden, den man als Generationsaufgabe begreifen muss.“