Jugendhilfe Intensivbetreuung: Urlaub oder die letzte Chance?

Nach dem Jugendamts-Skandal in Gelsenkirchen ist die Intensivbetreuung von Jugendlichen in den Fokus geraten.

Ein Jugendlicher hatte „Monitor“ berichtet, er habe nahe der ungarischen Stadt Pecs fast ohne Kontrolle gelebt, obwohl er dort eigentlich betreut werden sollte. Foto: dpa

Foto: Ferenc Kalmandy

Düsseldorf. Oft ist es die letzte Chance: Wenn die Jugendhilfe an ihre Grenzen stößt, bleibt häufig nur noch die intensive Betreuung im Ausland. Ein kostspieliges wie umstrittenes Konzept. Fragen und Antworten:

Die Jugendlichen haben oft eine lange Heimkarriere, Aufenthalte in der Psychiatrie, aber auch Haftstrafen hinter sich. Sie sind aggressiv, sozial verwahrlost und lassen sich nicht in Heime in Deutschland integrieren. Die große räumliche und kulturelle Distanz zu ihrer gewohnten Umgebung soll ihnen die Chance zu einem Neuanfang bieten. Die häufig niedrigeren Lohnkosten erlauben zudem, bei ähnlichen Kosten, mehr Betreuungskräfte einzusetzen.

Das ist unterschiedlich. Die Jugendhilfe der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel arbeitet mit Trägern in der Türkei und Bulgarien zusammen. Die Kinder und Jugendlichen leben zunächst mit ihren Betreuern „bewusst reizarm“ in ländlichen Regionen. Später werden sie in der Nähe von Städten untergebracht und in kleinen Gruppen unterrichtet. In Absprache mit den örtlichen Jugendämtern betreuen die Jugendlichen aus Deutschland auch einheimische körperbehinderte Kinder. Meist dauert der freiwillige Aufenthalt rund ein Jahr.

Eine Statistik für NRW wird laut Landesjugendämter Rheinland und Westfalen nicht geführt. Aus Dortmund sind nach Angaben der Stadt derzeit 40 junge Menschen in kürzeren oder längeren Maßnahmen im Ausland. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Individualpädagogik (AIM) schätzt, dass die bei ihr organisierten Träger rund 230 bis 250 Plätze im Ausland belegen. Allerdings ist nur ein Teil der Anbieter Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft.

Laut Kinder- und Jugendhilfegesetz haben Jugendliche, die eine intensive Unterstützung für eine eigenverantwortliche Lebensführung brauchen, Anspruch auf „intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung“. Die Kosten werden nach Tagessätzen abgerechnet. Die Stadt Dorsten, die einen Jungen in Ungarn untergebracht hat, betont, dass die Kosten etwa auf dem Niveau einer vergleichbaren Betreuung in Deutschland liegen, wo Tagessätze zwischen 200 und 300 Euro anfallen — also rund 6000 Euro und mehr im Monat.

Das ist umstritten. Jugendliche, die nach ihrer Rückkehr schnell wieder auf die schiefe Bahn geraten sind, haben stets viel Aufmerksamkeit erregt. Ein Bethel-Sprecher berichtet von einer Erfolgsquote von 50 bis 60 Prozent des eigenen Projekts. Viele Jugendliche kämen tatsächlich „gebessert“ zurück.