Internate sind nicht für jeden was
Wiesbaden (dpa/tmn) — Nächtlicher Besuch im Pferdestall, unter Freundinnen ausgetüftelte Streiche und eine starke Gemeinschaft: Doch ist das Leben im Internat wirklich wie eine einzige turbulente Klassenfahrt?
Wiesbaden (dpa/tmn) — Nächtlicher Besuch im Pferdestall, unter Freundinnen ausgetüftelte Streiche und eine starke Gemeinschaft: Doch ist das Leben im Internat wirklich wie eine einzige turbulente Klassenfahrt?
In der Regel gibt es drei Motive, warum Eltern ihre Kinder auf ein Internat schicken, sagt der Erziehungswissenschaftler Prof. Volker Ladenthin. Der erste Grund ist der Ausgleich sozialer, oft familiärer Probleme. Der zweite die Schwierigkeit, einen Berufs- und Familienalltag zu organisieren, wenn beide Elternteile arbeiten. Und der dritte ist der Wunsch nach einer Bildung, die mehr Möglichkeiten bietet als eine normale Schule.
Viele Internate legen Wert auf Angebote in den Bereichen Sport, Kultur, Werteerziehung, soziales Lernen oder Politik. Auch kleine Klassen, besondere Fächer, eine gute Ausstattung und ein breites Freizeitangebot gehören oft dazu.
„Internatspädagogen beraten und betreuen in schulischen und außerschulischen Fragen, in persönlichen Lebenssituationen und allgemeinen Lebensfragen“, sagt Christopher Haep, Vorsitzender des Verbands Katholischer Internate und Tagesinternate in Bonn. Das Erleben von Gemeinschaft spielt eine wichtige Rolle. „Jugendliche erfahren sie in einer so dichten Weise wie in kaum einem anderen Lebenszusammenhang.“
Doch all das hat seinen Preis: Die Kinder sind weit weg von zu Hause, manche vermissen gerade am Anfang ihre Eltern, Geschwister und Freunde schrecklich, sagt Sofie Albert-Meisieck, Sprecherin des Internats Solling in Holzminden. „Manche vermissen auch die Rückzugsmöglichkeit, weil natürlich in einer so großen Gemeinschaft immer viel los ist.“ Klammern Eltern zu stark, kann es mit der Entscheidung für ein Internat schwierig werden.
Und die Erziehung im Internat ist nicht für jeden das Richtige. „Kinder und Jugendliche müssen eine Affinität für dichtes Gemeinschaftsleben, einen Sinn für Werte und den Umgang mit Regeln besitzen“, sagt Haep. Außerdem wichtig: ein positives Grundgefühl für das Leben im Internat. Wenig Sinn macht es, wenn Eltern ihre Kinder überreden oder zwingen, eine solche Einrichtung zu besuchen.
Mit welchem Alter ein Kind am besten aufs Internat geht, ist individuell ganz unterschiedlich. Manche starteten schon mit der fünften Klasse, für viele sei die Zeit der Pubertät die richtige, sagt Albert-Meisieck. Wer kein Stipendium oder Unterstützung vom Sozialamt bekommt, muss fürs Internat tief in die Tasche greifen. Die Spanne reicht von 1000 bis zu 3000 Euro im Monat. Besonders leistungsstarke oder förderbedürftige Schüler bekommen manchmal Nachlässe.
Schulpsychologe Albert Zimmermann warnt Eltern vor überzogenen Erwartungen. Dass Jugendliche dort zu Heiligen werden, die nur noch ans Lernen denken und sich nichts aus alterstypischen Verlockungen machen, sei eine Illusion. Wie jeder spätestens seit „Hanni und Nanni“ oder „Harry Potter“ weiß, machen gerade die Streiche und das Umgehen mancher Verbote das Internatsleben so spannend.
Literatur:
Manfred Klemann, Silke Mäder: Der große Internate-Führer, ISBN-13: 978-3861123040
Volker Ladenthin: Das Internat, Struktur und Zukunft. Ein Handbuch. ISBN-13: 978-3899136661