Interview Dompteur Walliser : Das Leben nach der Tiger-Attacke
Christian Walliser hat sich nach einem tragischen Angriff in der Manege zurück ins Leben gekämpft.
Herr Walliser, im Dezember 2009 wurden Sie während einer Show im Tierpark Hagenbeck in Hamburg von drei Tigern angegriffen und schwer verletzt. Sie mussten sich sieben Operationen unterziehen und lagen fast vier Monate im künstlichen Koma. Mit welchen Gefühlen blicken Sie heute auf dieses Ereignis zurück?
Walliser: Dieses Datum ist mittlerweile zum schönsten Datum meines Lebens geworden, weil ich genau ein Jahr später meinen Freund Jan geheiratet habe. Ansonsten kann ich mich noch an dieses Gefühl des Fallens erinnern, als ich gestolpert bin. Dann hat es einfach Knacks gemacht, und mir wurde von innen sehr heiß.
Sie schreiben in Ihrer Autobiographie, dass nach dem Unfall von Anfang an klar war, dass Sie die Tiere behalten und mit ihnen weiterarbeiten würden. Haben Sie wirklich nicht einen Augenblick daran gezweifelt?
Walliser: Nicht einmal.
Doch im Buch berichten Sie von depressiven Episoden. Das klingt schon nach starken Zweifeln
Walliser: Die Gefahr und Angst war, dass ich nach dem Koma körperlich und geistig behindert bleibe und diesen Beruf aufgeben muss. Natürlich zweifelt man dann. In der ersten Zeit konnte ich mich nicht bewegen, weder auf der linken noch auf der rechten Seite schlafen. Ich konnte bis vor einigen Monaten noch nicht mal meine Schnürsenkel selber zubinden.
Wie geht es Ihnen heute, zwei Jahre nach dem Unfall?
Walliser: Mir geht es fantastisch. Mit diesen Wehwechen, die ich noch habe, kann ich gut leben. Ich habe nur oft sehr starke Migräne, je nach Wetter, weil mir ein Knochen im Kopf fehlt, der auch nicht mehr nachwachsen wird. Ich kann selber denken und handeln und entscheiden, und ich kann wieder arbeiten — das ist die Hauptsache. Ich bin glücklich, dass ich lebe.
Inwiefern hat sich das Verhältnis zu Ihren Tieren durch diesen Vorfall verändert?
Walliser: Da hat sich überhaupt nichts verändert. Ich habe die gleiche Liebe zu den Tieren wie vorher und genauso viel Lust auf diese Arbeit.
Aber sind Sie heute vorsichtiger im Umgang mit den Tieren geworden?
Walliser: Mein Mann und Manager Jan ist heute bei jedem Training und Auftritt dabei. Früher war mir das völlig egal, ob ich mit den Tieren alleine bin oder nicht. Heute würde ich nicht mehr ganz alleine mit den Tieren trainieren, das stimmt. Und natürlich weiß ich, dass ich damals die Distanz zu den Tieren nicht richtig eingehalten habe.
In einigen europäischen Ländern existiert bereits ein Wildtierverbot im Zirkus. Auch in Deutschland wird darüber diskutiert. Haben Sie Verständnis für die Forderung?
Walliser: Dafür habe ich schon Verständnis, aber man muss die richtigen Leute kritisieren. Bei mir gibt es nichts zu bemängeln. Meine Gehege für die Tiger sind so groß wie in einem zoologischen Garten. Die Auflagen, die mir für die Haltung der Tiger gemacht werden, übertreffe ich noch. Wenn ein Zirkus den Mindestanforderungen aber nicht gerecht werden kann, dann sollten sie solche Tiere nicht halten, da kann ich die Kritik verstehen.