Interview: Kein Mitleid mit den Bankern!
Der Brite Geraint Anderson enthüllt, wie mies es unter Bankern zugeht. Er weiß das: Er war selbst einer.
London. Monatelang haben Londons Manager und Banker freitags gezittert, weil sie Angst hatten, sich in der Zeitungskolumne "Cityboy" wiederzufinden:
Die sezierte genüsslich die miesen Machenschaften der feinen Anzugträger. Nun hat "Cityboy" seine Identität gelüftet: Geraint Anderson (36) war Banker bei der Dresdner Kleinwort und hat seine Kolumne zum Buch gemacht.
Herr Anderson, wie viel Hasspost bekommen Sie seit Ihrer Enttarnung?
Anderson: Oh, eine ganze Menge. Immerhin habe ich den ungeschriebenen Schweige-Kodex der City verletzt. Die bösen Briefe kommen meist von Männern, die hier arbeiten. Zu befreundeten Kollegen von einst habe ich gar keinen Kontakt mehr.
Dabei sind es doch die Frauen, die bei "Cityboy" besonders schlecht wegkommen: Sekretärinnen glucken Ihrer Meinung nach wie "demente Hühner" um das Baby einer Kollegin herum. Mitarbeiterinnen haben "eine ,Baywatch’-Figur, aber ein Gesicht wie aus ,Aktenzeichen XY’".
Anderson: In Banken arbeiten größtenteils weiße, heterosexuelle Männer. Es ist die pure Macho-Kultur. Citygirls haben da nur zwei Möglichkeiten: Sie geben sich noch männlicher als die Männer oder sie benutzen ihre weiblichen Reize, um dumme Männer, also ihre Klienten, um den Finger zu wickeln. Das ist kein Vorwurf - die Atmosphäre ist eben so konkurrenzgetrieben, dass man jede Waffe verwendet.
Ihr Buch ist ein Bestseller in der Kategorie "Sachbuch". Wie viel darin ist denn Fakt, etwa beim rein dienstlichen Besuch der Stripperinnen.
Anderson: Oh, da war ich natürlich dabei. Mehrmals.
Am meisten verdienen Banker mit Bonus-Zahlungen, die sie jedes Jahr je nach Erfolg bekommen. Mit welchem Taschengeld kann man rechnen?
Anderson: Im ersten Jahr waren es bei mir rund 20 000 Euro extra, im zweiten 70 000, im dritten 180 000. Kurz vor meiner Kündigung nach zwölf Jahren im Bankgeschäft gab’s eine halbe Million.
Sie behaupten, die hohen Bonuszahlungen sind schuld an der Kreditkrise. Wo ist der Zusammenhang?
Anderson: Die Bonuskultur und die Tatsache, dass Sie als Banker schneller gefeuert werden als Sie gucken können, sind eine schlechte Kombination. Denn jeder Banker schielt nur auf die nächsten Monate, den nächsten Bonus. Diese Mentalität ist schuld daran, dass amerikanische Klienten, die es sich nicht leisten können, Kredite bekommen. Die werden an Heuschrecken weiter verkauft. Zinssätze steigen, Profite fallen, eine Rezession setzt ein - dem Banker ist das egal. Er hat Millionen verdient, Steuern zahlt er kaum.
Warum haben Sie zwölf Jahre in diesem System gearbeitet?
Anderson: Weil es Spaß gemacht hat. Aber ich wollte nicht so enden wie meine Kollegen. Viele sind unglücklich und langweilen sich zu Tode. Sie sitzen in einer Falle: Sie können nichts anderes als Bankgeschäfte, haben zwei teure Ex-Frauen, Kinder auf Privatschulen und ein Luxushaus. Das alles muss bezahlt werden.
Ihre Kolumnen sind bei allem Humor auch tragisch. Sie schreiben, es sei kein Zufall, dass es allein im Bankenviertel 22 Treffpunkte der Anonymen Alkoholiker gebe. Durch die Kreditkrise sollen zehntausende Banker ihren Job verlieren.
Anderson: Oh ja, Drogen sind in der City weit verbreitet. Aber jetzt bekommen Sie bloß Mitleid mit den Typen. Mit einem ihrer Ferraris könnte man ein ganzes Dorf in Afrika ernähren. Eine Kündigung ist für jeden schlimm, aber die Jungs haben ausgesorgt.
Sie haben Ihren Chef vom Strand in Indien aus angerufen und gekündigt. Was sind Ihre Zukunftspläne?
Anderson: Ich arbeite bereits an meinem nächsten Buch - über Geldwäsche. Für einen Radiosender lege ich Platten auf, und vielleicht habe ich bald eine kleine TV-Rolle: Mein aktuelles Buch soll verfilmt werden. Ich will die Armut der Welt besiegen und stemme ein paar Projekte in Afrika. Zu ehrgeizig, finden Sie? Naja, da kommt die alte Cityboy-Mentalität halt wieder durch.