Interview mit Walter Sittler: „Ich bin kein Revolutionär“
Walter Sittler engagierte sich gegen „Stuttgart 21“. Nun kehrt er als Kommissar auf den Bildschirm zurück.
Berlin. Er ist im deutschen Fernsehen der Sympathieträger vom Dienst: Walter Sittler. Zuletzt engagierte sich der in Stuttgart lebende Schauspieler vehement gegen das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“. Nun kehrt der 59-Jährige mit zwei neuen Folgen der Krimireihe „Der Kommissar und das Meer“ auf den Bildschirm zurück (Donnerstag um 20.15 Uhr, ZDF).
Herr Sittler, wie finden Sie als Gegner von Stuttgart 21 den Begriff „Wutbürger“?
Walter Sittler: Der „Wutbürger“ ist ein politischer Begriff, der benutzt wird, um die Menschen zu diffamieren, da muss man sie dann nicht mehr ernst nehmen. Das ist natürlich unsinnig und schade. Aber in diesem Kontext sind so viele Sachen schade, dass es darauf auch nicht mehr ankommt.
In den Medien kamen Sie teilweise gar nicht gut weg. . .
Sittler: Ja, aber das sagt mehr über die Leute aus, die so über mich reden, weniger über mich als Person oder Schauspieler. Wir bewegen uns zum Teil rückwärts in Richtung Obrigkeitsstaat. Unabhängiges Denken und unabhängiger Journalismus haben zurzeit keine gute Konjunktur.
Haben Sie keine Angst, dass Ihr Ruf als Sympathieträger leidet?
Sittler: Es ist schon möglich, dass ich die eine oder andere Rolle nicht mehr angeboten bekomme, aber das hält mich nicht ab. Ich würde es jederzeit wieder genauso machen. Ich bin kein Revolutionär, sondern ein normaler Bürger, der eins und eins zusammenzählt. Für das nächste Jahr sind auch schon wieder zwei Folgen von „Der Kommissar und das Meer“ fürs ZDF bestellt. Die Verantwortlichen dort können das sehr gut trennen.
Die Serie spielt in Schweden. Wieso gilt das Land als bevorzugter Handlungsort grausiger Krimis?
Sittler: Die Düsternis gab es bei den Schweden schon immer, das ergibt sich auch aus dieser Einsamkeit, dieser unendlichen Weite, der Dunkelheit im Winter, der Kälte. Das prägt natürlich auch die Literatur, die Musik und das Theater bis heute.
Und was fasziniert die Deutschen an den enorm populären Skandinavien-Krimis?
Sittler: Einerseits liegt es sicher daran, dass die Krimis so anders sind als die deutschen — ich will nicht sagen besser oder schlechter, aber zum Teil erschreckender. Vieles kommt unerwartet, plötzlich. In deutschen Krimis weiß man meistens schon bald, wer der Böse ist, bei den Schweden ist das nicht so leicht.
Vielleicht leben Sie ja bald in Schweden? Sie wollten wegen „Stuttgart 21“ auswandern. . .
Sittler: Das war nur Spaß. Irgendjemand sagte mal, dass Auswandern ja auch eine Alternative wäre, und da habe ich geantwortet, dass das schon etwas Verlockendes hätte. Aber ich gehe doch nicht wegen einer Baustelle weg aus Stuttgart.
Kann es eigentlich sein, dass Sie zuletzt seltener im Fernsehen zu sehen waren?
Sittler: Ich habe in der Tat weniger neue Filme gedreht — aber nicht wegen meines Engagements oder fehlender Angebote, sondern weil ich mehr Theater gespielt habe, was für mich wichtig und notwendig war und ist. Deshalb mache ich zurzeit zwei oder drei Filme pro Jahr statt fünf oder sechs.