Italien ringt um Pompeji
Rom (dpa) - Italien verfügt über mehr Unesco-Weltkulturerbe als jedes andere Land der Welt. Oder wie es aus dem Kulturministerium stolz heißt: Die Denkmäler von Mantua bis Messina sind für das Land genauso wertvoll wie das Öl für die Golfstaaten.
Aber es gibt da ein Problem: So manches kulturelle Juwel wurde derart vernachlässigt, dass es kaum noch zu retten ist. Inbegriff der Misswirtschaft war jahrelang Pompeji, die antike Stadt am Vesuv, die ein zweites Mal unterzugehen drohte. Jetzt gibt es endlich positive Entwicklungen - doch ob sie lange anhalten werden, ist fraglich.
„Pompeji wäre fast ein zweites "Caporetto" geworden“, sagt der zuständige Superintendent und archäologische Leiter, Massimo Osanna. Gemeint ist jene Schlacht des Ersten Weltkriegs, bei der Italien gegen Österreich eine verheerende Niederlage hinnehmen musste. Seither gilt der Name des Ortes als Synonym für eine Pleite von nationalem Ausmaß. Dem Desaster war Pompeji tatsächlich nah, vor allem, als Ende 2010 das weltbekannte „Haus der Gladiatoren“ nach schweren Regenfällen zusammenstürzte.
Es folgte ein Aufschrei, der über die Grenzen Italiens hinaushallte. Ein Aufschrei mit Folgen: 2013 stellte die EU-Kommission 105 Millionen Euro bereit, um den totalen Verfall der 79 n. Chr. bei einem massiven Vulkanausbruch verschütteten Ruinenstätte zu verhindern. Der Großteil der 20 000 Bewohner starb unter einer Schicht aus Lava, Schlamm und Asche. Erst im 18. Jahrhundert wurden Spuren der vergessenen Stadt entdeckt - und zahlreiche gut erhaltene Leichen, noch in der Position, in der sie beim Vesuv-Ausbruch um ihr Leben gerungen hatten. Eine einmalige Entdeckung, ein einmaliger Ort.
Aber dann wurde Pompeji irgendwann wieder sich selbst überlassen. Inkompetenz, Bürokratie, die Mafia, politisches Desinteresse und Touristenmassen kratzten nicht nur an den alten Mauern, sondern auch am Image Pompejis.
„The Great Pompeii Project“ sollte das mit Hilfe von massiven finanziellen Mittel ändern - und zwar bis Ende 2015. Dann müssten - so forderte die EU - die Mittel aufgebraucht und die Restaurierung des 66 Hektar großen Areals beendet sein. Aber als Osanna im März 2014 seinen Posten als Superintendent antrat, steckte das geplante Großprojekt noch immer in den Kinderschuhen. „Ich habe nicht bereut, die Stelle angenommen zu haben - aber es war schwerer, als ich dachte“, sagt der 52-Jährige heute.
Ein wichtiger Name bei der Rettungsaktion ist auch der von Carabiniere-General Giovanni Nistri, der als Chefmanager für die Finanzen zuständig und Experte auf dem Gebiet des Schutzes von kulturellem Erbe ist. Unter seiner Führung wurden neue Maßnahmen ergriffen, die EU-Gelder wurden speziellen Projekten zugeteilt, die Ausschreibungszeit für die Vergabe der Restaurierungsaufträge wurde von einem Jahr auf weniger als einen Monat verkürzt - aber dennoch werden bis zum 31. Dezember 2015 nur 40 der 105 Millionen Euro ausgegeben worden sein - sehr zum Unmut der EU.
Alle Beteiligten hoffen nun, dass noch ein Weg gefunden wird, das Projekt um einige Jahre zu verlängern. „Wir sind zuversichtlich, dass wir die Sache positiv lösen können“, erklärt Nistri. Denn schließlich hat auch die Unesco nach einem Besuch mitgeteilt, dass unter der Leitung von Osanna und Nistri „herausragende Fortschritte“ gemacht worden seien.