Fragil Jane Birkin singt wieder Gainsbourg

Paris (dpa) — Ihre Stimme klang schon immer zerbrechlich. Diesmal scheint sie noch feiner, wenn sie „Lost Song“ singt. Fast hat man den Eindruck, als wolle sie die fragile Traurigkeit der Violinen noch überbieten.

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„Birkin/Gainsbourg le symphonique“ heißt das neue Album, mit dem die britische Sängerin und Schauspielerin auf Tournee ist.

Birkin singt seit Jahrzehnten die weltbekannten Chansons des 1991 gestorbenen Musikers und Songwriters Serge Gainsbourg, mit dem sie verheiratet war. Doch noch nie hat sie sich dabei von einem Symphonieorchester aus rund 80 Musikern begleiten lassen.

Gainsbourg wäre der erste gewesen, der ein Taschentuch gesucht hätte, sagte die 70-Jährige im französischen Radiosender „Europe 1“. Er hätte das Album bestimmt toll gefunden. Sie selber hatte zunächst Angst vor diesem Projekt. Sie habe nie daran gedacht, mit einem Symphonieorchester zu singen, weil sie ihre Stimme für zu schwach gehalten habe, erzählte sie dem Radiosender. Aber dann hat sie Nobuyuki Nakajima getroffen.

Der japanische Komponist, Musiker, Arrangeur und Pianist hat die Originalfilmmusik zu „The Fallen Angel“ von Genjiro Arato geschrieben. Birkin lernte den 47-Jährigen auf einem Konzert in Tokio kennen, mit dem der Opfer der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 gedacht wurde. Konkrete Formen nahm das Projekt vier Jahre später, im Juni 2016, in Montreal auf dem Musikfestival „Les FrancoFolies“ an. Das Publikum war von ihrer Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester Montreal und Nakajima am Klavier begeistert.

Birkin interpretiert seit Jahrzehnten die Songs, die die Liebe ihres Lebens für sie und für andere geschrieben hat. Doch so emotional wie auf der neuen CD klang ihre Stimme nur selten. Vielleicht deshalb, weil sie mit der voluminösen Orchestrierung nicht nur seine Lieder singt, sondern auch gleichzeitig Gainsbourgs Faible für Klassik zum Ausdruck bringt. Denn der Chansonnier hatte für viele seiner Lieder Inspirationen bei den Großen der Weltmusik gefunden.

„Initials B.B.“ sei von Antonin Dvorak beeinflusst, „Poupée de cire, poupée de son“ von Ludwig van Beethoven, „Baby Alone in Babylone“ von Johannes Brahms, „Jane B“ von Frédéric Chopin und „Lost Song“ von Edvard Grieg, wie Birkin erklärte. Die letzten drei Songs finden sich auch auf dem neuen Album wieder.

Birkin erlitt in den vergangenen Jahren viele Schicksalsschläge. Im Jahr 2013 starb ihre Tochter Kate. Die 41-Jährige war aus dem Fenster ihrer Pariser Wohnung im vierten Stock gestürzt. Sie selbst leidet an einer Autoimmunkrankheit. Auf den beiden Konzerten, die sie vor wenigen Tagen auf ihrer Tournee in Paris zusammen mit dem Philharmonieorchester von Radio France gab, war ihr von den schweren Jahren kaum noch etwas anzusehen. Auf ihrem Tournee-Plan steht neben Japan und England auch Deutschland, wo sie am 20. und 21. Mai in Recklinghausen auf den Ruhrfestspielen auftreten wird.

Ihre Pariser Auftritte waren sehr gefühlsbeladen. Gainsbourg habe ihr sein Bestes gegeben, sagte sie vor mehr als 1 400 Zuschauern. Dabei strich sie sich mit der Hand über die Wange, so als wollte sie eine Träne trocknen. Der Satz kommt in dem Lied „Une chose entre autres“ vor, das er für sie geschrieben hat. Darin heißt es: „Eines der Dinge, die du nicht weißt ist, dass du das Beste von mir bekommen hast.“ Erst jetzt wisse sie, was er damit meinte, wie sie dem Konzertpublikum gestand.

Birkin und Gainsbourg lebten von Ende der 60er-Jahre bis Anfang der 80er-Jahre zusammen. Als Birkin 1968 das um knapp zwanzig Jahre ältere „Enfant terrible“ der Musikwelt kennenlernte, war sie Anfang Zwanzig. Gainsbourg hat auch nach der Trennung weiter für sie geschrieben. Und Birkin singt noch heute seine Lieder, bis auf eine Ausnahme: den gestöhnten Sechziger-Jahre-Welthit „Je t'aime, moi non plus“.