Japanern fehlen Strom, Brot, Benzin - Tausende Tote

Tokio (dpa) - Verzweiflung, Furcht und Chaos breiten sich in Japan aus. Strom, Lebensmittel und Kraftstoff werden knapp - besorgte Bürger bildeten lange Schlangen vor Supermärkten und Tankstellen. Immer wieder bebte die Erde.

Im Nordosten der Hauptinsel Honshu gruben Rettungskräfte weiter in den Trümmern nach Opfern von Erdbeben und Tsunami. Die Polizei sprach am Montag von 5000 Toten und identifizierten Vermissten.

Am dritten Tag nach dem Megabeben mit der Stärke 9,0 schwand indes die Hoffnung, noch Überlebende zu finden. In der besonders betroffenen Provinz Miyagi waren die Behörden weiterhin ohne ein Lebenszeichen von rund 10 000 Menschen. Nach Hunderten namentlich bekannten Vermissten wurde andernorts gesucht. Viele Verkehrswege in der Region sind nach wie vor unterbrochen. Hinweise auf deutsche Opfer gebe es bisher keine, teilte das Auswärtige Amt in Berlin mit.

Große Teile Tokios wirkten am ersten Werktag nach dem Jahrhundertbeben wie eine Geisterstadt. Wegen der Störfälle in mehreren Atomkraftwerken wurde überall der Stromverbrauch gedrosselt: „Das war richtig gespenstisch. Die Straßen waren wie leergefegt, in Hochhäusern brannten keine Lichter“, beobachtete ein dpa-Reporter. Die normalerweise hell erleuchtete Rainbow Bridge im Hafen der Hauptstadt sei komplett dunkel gewesen.

In den Supermärkten trieben die Verkäufer ihre Kunden zur Eile bei den Hamsterkäufen an: „Bitte beeilen Sie sich. Wir haben noch zehn Minuten, dann wird der Strom für drei bis vier Stunden abgeschaltet“, sagte ein Mitarbeiter in einem Lebensmittelladen in Ibaraki. Viele Regale wurden leergeräumt. Eine ältere Frau sagte dem Fernsehsender NHK, sie kaufe alle Lebensmittel, die sie auftreiben könne. Sie horte auch Trinkwasser sowie Batterien wegen der erwarteten Stromausfälle.

„Die Leute bevorraten sich vor allem mit Wasser und Reis, aber auch mit Konserven“, sagte ein Sprecher des Handelskonzerns Metro am Montag in Düsseldorf. Es laufe in den neun japanischen Märkten des Unternehmens relativ ruhig ab. „Bis jetzt haben wir noch keine Lieferengpässe“, sagte der Sprecher. Andernorts fehlte es an Nachschub, weil auch der Treibstoff knapp wurde.

Zettel mit der Aufschrift „Ausverkauft“ hingen an vielen Tankstellen in der Präfektur Ibaraki, die zwischen Tokio und der besonders betroffenen Region mit dem Atomkraftwerk Fukushima liegt. Dort sei es bitterkalt, berichtete ein dpa-Reporter. An den wenigen noch offenen Tankstellen stünden lange Schlangen: „Menschen kamen mit Dutzenden Kanistern, um ihre Benzin- und Heizölvorräte aufzustocken.“

Der japanische Stromversorger Tepco, der auch die beschädigten Atomkraftwerke von Fukushima betreibt, begann mit regionalen Stromabschaltungen. Teile des Großraums Tokios waren daraufhin in Dunkelheit gehüllt. Tepco befürchtet Engpässe von bis zu 10 Millionen Kilowatt an Werktagen. Japan bezieht 35 Prozent seines Stroms von Atomkraftwerken. Die abgeschalteten Reaktoren in Fukushima, Onagawa und Tokai produzieren 3,5 Prozent des japanischen Bedarfs.

Manche Hilfsorganisationen zogen aus Furcht vor einer atomaren Katastrophe ihre Helfer aus Japan ab. Die Regierung in Tokio bat die Europäische Union, keine Ausrüstung und keine Hilfsteams mehr ins Land zu schicken. Sie begründe dies mit den Schwierigkeiten, die Helfer in das Katastrophengebiet zu bringen, sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. Ein Team des Technischen Hilfswerks (THW) mit Rettungsgerät hat unterdessen die Region erreicht.

Die 41 THW-Helfer schlugen ihr Camp nach Angaben eines Sprechers in Bonn rund 50 Kilometer nördlich der Millionenstadt Sendai auf, die vom Tsunami voll getroffen wurde. Erste Gebietserkundungen mussten die Deutschen nach einem erneuten heftigen Nachbeben und einer folgenden Tsunamiwarnung einstellen. Sie seien in ihr sicheres Lager zurückgekehrt, sagte ein Sprecher. Es werde streng darauf geachtet, dass die Helfer keiner überhöhten Strahlung ausgesetzt würden.

Ein heftiges Beben der Stärke 6,2 erschütterte am Montag auch die Hauptstadt Tokio. Der Bahnverkehr kam weitgehend zum Erliegen. Auf der wichtigen Ost-West-Linie durch die Hauptstadt fuhr nur noch jeder zehnte Zug, wie das japanische Fernsehen meldete. Die Verbindungen zum Flughafen Narita wurden ebenfalls eingestellt. Dort wackelte die Abflughalle. Reisende sprangen erschrocken auf, berichtete eine Reporterin der Nachrichtenagentur dpa.