John Galliano: Comeback nach mildem Urteil?
Paris (dpa) - Angeklagt wegen Nazi-Pöbeleien, vom Luxusunternehmen Dior unehrenhaft entlassen und geoutet als schwer suchtkrank: Für den Modeschöpfer John Galliano schien die Karriere bis vor kurzem unwiderruflich beendet.
Doch in dem Pariser Prozess um rassistische Beleidigungen des Briten zeigte sich die Justiz jetzt milde. Wie den Opfern und Zeugen der verbalen Attacken schenkte die Richterin auch dem Angeklagten Glauben.
Galliano hatte in dem Prozess erklärt, seit Jahren unter schweren psychischen Störungen und Suchtproblemen zu leiden. Wiederholt beteuerte er, nie ein Rassist gewesen zu sein. Nur wenn Galliano in den kommenden fünf Jahren erneut straffällig werde, müsse er für seine Ausfälle büßen und 6000 Euro Strafe zahlen, entschied das Gericht am Donnerstag.
Über die berufliche Zukunft des tief gefallenen Stars entscheidet damit die Branche. Kann sie jemandem eine zweite Chance geben, der im Vollrausch mit Ausdrücken wie „dreckiges Judengesicht“, „Leute wie Sie sollten tot sein“ und „I love Hitler“ um sich wirft? Oder gibt es für solche Entgleisungen kein Vergessen? Vor allem beim Kunden, der die Mode eines Labels kauft? Gallianos Anwalt wich auf diese Fragen nach der Urteilsverkündung aus.
„Er hofft jetzt, alles hinter sich lassen zu können“, sagte Aurélien Hamelle. Sein Mandant wolle nun in die Zukunft schauen und wünsche sich Vergebung und Verständnis. Persönlich hörte Galliano den Richterspruch nicht. Er wollte sich nicht wie bei der Vernehmung vor der Sommerpause dem Medienandrang stellen.
Erste positive Signale hat Galliano bereits bekommen. Boss-Chef Claus-Dietrich Lahrs bezeichnete den Designer jüngst als „großen Künstler.“ „Die Aufmerksamkeit, die heute manchen Marken und damit deren kreativen Köpfen zuteil wird, ist enorm gestiegen. Nicht alle kommen im gleichen Maße damit klar“, sagte er dem Magazin „Der Spiegel“. Auch wenn klar sei, dass Dior die antisemitischen Äußerungen Gallianos „nicht dulden konnte“.
Einen großen Vertrauensbeweis leistete Supermodel Kate Moss, die sich für ihre Hochzeit Anfang Juli ein Brautkleid von dem Briten schneidern ließ. „Sie hat mir erlaubt, wieder John Galliano zu sein“, sagte der Designer dem Modeblatt „Vogue“ zu dem Auftrag. „Das war meine kreative Rehabilitierung.“ Als der Vater von Moss Galliano in seiner Hochzeitrede dankte, soll dieser in Tränen ausgebrochen sein. Bei Dior war Galliano bis zu seiner Entlassung am 1. März für bis zu 17 Kollektionen im Jahr zuständig gewesen. Am Ende seiner Schauen trat der früher stets sportgestählte und ziemlich selbstverliebt wirkende Modemacher mal als Pirat auf den Laufsteg, mal als Napoleon.
Galliano hat nach eigenen Angaben mittlerweile zwei Suchttherapien absolviert. „Mein Körper gewöhnte sich an die Tabletten“, erzählte er mit leiser Stimme vor Gericht. Irgendwann habe er ohne Valium und andere Drogen nicht mehr arbeiten können. Ausgangspunkt der immer schlimmer werdenden Probleme sei der Tod seines engsten Mitarbeiters und Lebensgefährten Steven Robinson im Jahr 2007 gewesen.
Als ausgeschlossen gilt unterdessen eine Rückkehr Gallianos zu Dior. Das Unternehmen hat die Hitler-Äußerungen ihres langjährigen Stars als „besonders abscheulich“ bezeichnet und ihn noch vor dem Gerichtsverfahren gefeuert. Mit Spannung wird in den nächsten Wochen erwartet, was mit Gallianos Marke passiert. Das von LVMH kontrollierte Unternehmen Dior hält mehr als 90 Prozent an dem Label „John Galliano“. Das Mutterhaus hat angekündigt, nach dem Verfahren über einen möglichen Verkauf zu entscheiden.