Steffen Möller Kabarettist Steffen Möller - der Liebling der polnischen Schaffner
Als deutsch-polnischer Grenzgänger lebt der Autor und Kabarettist Steffen Möller von den Nischen der Partnerschaften.
Düsseldorf. Wieder war es am Dienstagabend ein polnischer Schaffner. Diesmal auf der ICE-Strecke von Berlin nach Düsseldorf. Steffen Möller hat brav die gewünschten Autogramme gegeben. Eine vergleichsweise harmlose Folge seiner Popularität in Polen — wenn man bedenkt, dass diese ihm auch schon mal dazu verholfen hat, einen ICE in Würzburg zu stoppen, obwohl ein Halt dort eigentlich nicht vorgesehen war. Der Schauspieler, Kabarettist und Autor saß auf dem Weg zu einem Auftritt in Würzburg im falschen Zug, hatte aber mit einer polnischen Schaffnerin Hilfe und das Glück auf seiner Seite.
Wie wird man als Deutscher in Polen populär? Als Kartoffelbauer. Zumindest ist das eine Möglichkeit — wenn man in dieser Rolle fünf Jahre in der polnischen Kult-Soap „L wie Liebe“ auftritt. Dazu war Möller Fernsehmoderator und Teil der Show „Europa lässt sich mögen“. Am Ende mochten die Polen vor allem ihn. 2008 wurde die Show eingestellt und Möller hat seinen Lebensmittelpunkt wieder zurück nach Deutschland verlegt, ohne seine Wohnung in Warschau aufzugeben. „Die Polen sind heute mehr mit sich selbst beschäftigt als mit Europa.“ Seither pendelt der 48-jährige Grenzgänger zwischen Berlin und der polnischen Hauptstadt. Darunter macht er es nicht mehr. „Vielleicht ist das das Syndrom eines Provinzmenschen, der in den Hauptstädten seine Minderwertigkeitskomplexe kompensieren will“, sagt er. Möller stammt aus Wuppertal.
Sein erstes Buch „Viva Polonia“ wurde 2008 ein Bestseller. Derzeit ist er mit seinem 2015 erschienenen Reiseführer „Viva Warszawa — Polen für Fortgeschrittene“ auf Tour, in dieser Woche sogar auf Einladung des NRW-Europaministers Franz-Josef Lersch-Mense hoch oben in der 16. Etage des Düsseldorfer Familienministeriums. „Europa erlesen“ heißt die seit Jahren bewährte Reihe. Und man ahnt, dass sie aus einer Zeit stammt, als Europa noch Verheißung war und nicht Sündenbock.
Ja, sein geliebtes Polen sei tief gespalten, sagt Möller mit Blick auf die heutige Situation unter der nationalkonservativen Regierung. Und Europa ist es auch. „Manchmal habe ich das Gefühl, wir sind im Rückwärtsgang mit Tempo 100 unterwegs.“ Aber er versuche, sich aus dem Konflikt herauszuhalten. Auch weil er weiß, dass seine Stimme als Deutscher in Polen keine Gräben zuschütten würde, sondern „starken Trotz“ zur Folge hätte. Aber ein Satz dann doch: „Die neue Regierung trägt dazu bei, dass die Stimmung immer gespaltener wird.“
Wobei er es offenbar schafft, mit seinen Geschichten und Anekdoten über kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Deutschen und Polen beide Seiten zu erreichen. „Bei der Präsidentenwahl 2015 hatte ich einen Auftritt in München und da gab es eine Frau, die begeistert erzählt hat, dass Andrzej Duda mehr Stimmen erzielt hat als Bronislaw Komorowski.“ Mit dem Ergebnis begann damals der Siegeszug der nationalkonservativen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).
Möllers Nische sind die deutsch-polnischen Partnerschaften. Und das in doppelter Hinsicht: „Die Polinnen sind nach den Türkinnen die zweitbeliebtesten Ausländerinnen in Deutschland.“ Die Zahl der deutsch-polnischen Beziehungen wird auf 400 000 geschätzt; nur in rund zehn Prozent der Fälle sei der Mann Pole. Und dann sind da noch die über 600 polnischen Partnerstädte deutscher Kommunen. In diesem Milieu sucht Möller sein Publikum. Und bleibt dabei, dass sich beide Seiten ähnlicher sind, als sie denken. „Die Polen halten sich zwar für die Italiener des Nordens. Aber eigentlich sind sie skeptisch, vorsichtig, lassend die andere Seite gerne den ersten Schritt machen.“ Und sie seien wie die Deutschen Angsthaber: „In Polen gibt es die Angst vor der Invasion der Russen. Dafür hat kein Pole Angst vor der Vogelgrippe.“
Gut, bei den Radwegen hört die Gemeinsamkeit endgültig auf. Wer in Berlin als Fußgänger die Linie zum Radweg überschreitet, unterschreibt damit nach Möllers Erfahrungen sein Todesurteil. In Warschau könne man sicher sein, dass der Radfahrer einen großen Bogen um den herumirrenden Fußgänger mache. Nicht der einzige Grund, warum Möller dem Alltag in Warschau hinterhertrauert. „Am meisten vermisse ich die Herzlichkeit der Leute dort. Und ich vermisse meine Bekanntheit.“ Ein deutscher Schaffner hätte für ihn den ICE nicht angehalten.
Gerade hat Möller wieder die deutschen Hörverstehenstexte für das diesjährige Zentralabitur in Polen aufgenommen, „ganz üble Gebrauchstexte“. Die Prüflinge werden sie im Mai zweimal vorgespielt bekommen und müssen dann Fragen zum Gehörten beantworten. Von den so Gequälten erhält Möller keine Autogrammwünsche. Eher mal Mails wie diese: „Ich hasse Sie, weil Sie so schnell und undeutlich sprechen.“ Es gibt also auch Polen, die ihn nicht mögen.