Kämpferin gegen „Ehrenmorde“
Serap Cileli setzt sich für muslimische Frauen ein.
Düsseldorf. Die 16-jährige Morsal aus Hamburg wollte es ihren deutschen Freundinnen gleichtun: sich schminken, modern kleiden, auf Partys gehen. Doch die Deutsch-Afghanin hatte nicht mit der Kaltblütigkeit ihres Bruders gerechnet.
Der 24-Jährige tötete sie mit mehr als 20 Messerstichen - weil Morsal sich "zu westlich" verhielt und damit "gegen die Familienehre" verstieß. Am Freitag jährt sich dieser sogenannte Ehrenmord zum ersten Mal. Der Täter wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Ein erstes positives Signal, wie Serap Cileli feststellt. Die Schriftstellerin ist seit Jahren die wohl engagierteste Kämpferin gegen Zwangsheirat und Ehrenmord. "Erstmals hat die deutsche Justiz eine derart harte Strafe für einen Ehrenmord verhängt", sagt die Menschenrechtlerin.
Das ermutige Mädchen und junge Frauen, Hilfe zu suchen. Bislang leiden die Betroffenen meistens im Stillen. Bis es zum Äußersten kommt. Allein in den vergangenen neun Jahren starben in Deutschland 70 junge Frauen, weil sie angeblich Schande über ihre Familien gebracht hatten.
Serap Cileli weiß aus eigener Erfahrung um das Leid der Frauen. Mit zwölf sollte sie an einen Freund der Familie verschachert werden. Durch einen Selbstmordversuch konnte sie diesem Schicksal entgehen, nicht aber einer Zwangsverheiratung mit einem türkischen Bauern drei Jahre später. Sieben Jahre erlebte sie ein Martyrium, ehe sie nach Deutschland zurückkehrte. Nun hilft sie jungen Migrantinnen, sich zu emanzipieren.
Die Problematik, so sagt Cileli, sei zwar in der öffentlichen Diskussion angekommen, dennoch gebe es noch viel zu verbessern. Es fehlten nicht allein spezielle Beratungs- und Schutzeinrichtungen. "Die Mängelliste ist lang", sagt Cileli, die den Verein "Peri" (türkisch für: die gute Fee) als Anlaufstelle gegründet hat.
Beispiel Opferschutz: "Wenn verängstigte Mädchen zu mir kommen, muss ich sie so weit wie möglich wegbringen", sagt Cileli. Doch ein Zufluchtsort in einem anderen Bundesland wird von den Behörden nicht bezahlt. Schwer sei die Situation insbesondere bei Asylbewerberinnen, die ihren Wohnort nicht weiter als 50 Kilometer verlassen dürften. Ein weiteres Problem: der Straftatbestand "Zwangsheirat", der ins Strafgesetzbuch gehöre.
Cileli geht in Schulen, organisiert Deutschkurse. Denn sie sagt: "Über die Sprache erreichen wir die Mütter, und die erziehen die Kinder." Für ihr Engagement wird Cileli von der muslimischen Gemeinschaft gescholten, nicht selten mit dem Tod bedroht, denn sie rechnet schonungslos mit ihresgleichen ab.
"Inzwischen leben die dritte und vierte Generation Türken in Deutschland, die immer noch nicht angekommen sind", sagt sie. "Die Mehrzahl der Migranten lebt in einer hermetisch abgeschlossenen Parallelgesellschaft, die von den Traditionen des jeweiligen Herkunftslandes bestimmt wird."
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