Kaffee-Mafia macht Millionen
Spediteur soll im Auftrag rund 3600 Tonnen aus Holland geschmuggelt haben.
Mönchengladbach/Venlo. Schon die Ankündigung für den Prozess klang spektakulär: Da soll jemand an die 3600 Tonnen billigen Kaffee aus Venlo nach Deutschland geschmuggelt haben. 113 Touren, jedes Mal voll beladen. Dadurch sind dem deutschen Fiskus mehr als 7,8 Millionen Euro entgangen. Denn jedes Kilogramm Kaffee, das in Deutschland verkauft wird, wird normalerweise mit 2,19 Euro besteuert — in den Niederlanden gibt es eine solche Kaffeesteuer nicht. Die unversteuerte Ware soll als Sonderangebot in deutschen Supermärkten verkauft worden sein.
Was der Angeklagte Ralf K. (Name von der Redaktion geändert) am Freitag vor dem Mönchengladbacher Landgericht erzählte, sorgte für ungläubiges Staunen in den Besucherreihen. Der 49-Jährige aus dem Rhein-Kreis Neuss glaubt, dass es eine Kaffee-Mafia gibt, die in noch viel größerem Stil das braune Pulver — in seinem Fall waren es Pakete der Firmen Jacobs, Dallmayr und Melitta — schmuggelt.
An seine erste Fuhre war der Spediteur gekommen, weil sein Unternehmen in Schieflage geraten war, verspätet Insolvenz anmelden musste und dabei betrog. Beim Versuch, sich und seine Familie zu retten, geriet der 49-Jährige immer tiefer in den Sumpf.
Zunächst habe er die Tragweite nicht übersehen können, erzählt er vor Gericht. Von dem vielen Geld, das es zu verdienen gab, habe er nur den geringsten Teil bekommen. 2000 Euro pro Fahrt habe es gegeben — bei seinen 113 Schmuggeltouren waren das immerhin fast 230 000 Euro. Allerdings habe er davon nicht nur die Lkw unterhalten und die Fahrer bezahlen, sondern auch noch Schmiergelder an Auftraggeber zahlen müssen.
Der Drahtzieher sitze in Polen. An der Grenze zu den Niederlanden sei ein „Marco“ der Kopf der Bande gewesen. Von dem hatte er sogar eine Kopie eines türkischen Passes. Denn er habe für ihn eine Firma in Belgien gründen sollen, die er dann aber, um Schwierigkeiten zu vermeiden, auf seinen eigenen Namen angemeldet habe. Dass der Pass gefälscht war, und nun niemand weiß, wie Marco richtig heißt und ob er überhaupt türkischer Nationalität ist, kam erst in der Zusammenarbeit mit den Steuerfahndern heraus.
K. beteuert, er habe, als er die Zusammenhänge begriff, aussteigen wollen, sei aber bedroht worden. „Marco warf mir eine Patrone auf den Schoß und sagte: ,Du weißt, was dann passiert.’“ Als er festgenommen wurde, sei er erleichtert gewesen, „dass alles vorbei ist“. Er ist sicher: „Alle Beteiligten wissen genau, dass sie unversteuerten Kaffee kaufen.“ Das gelte auch für die Zwischenhändler deutscher Supermarktketten, die so an ihren Kaffee für Sonderangebote kämen.
Die Steuerfahnder, die auch zum Prozess nach Mönchengladbach gekommen waren, bestätigen, dass K. ihnen Informationen liefere, die zu weiteren, erfolgversprechenden Ermittlungen führten. K. muss jetzt erst einmal für fünfeinhalb Jahre in Haft. Und der Steuerschaden wird ihm komplett angelastet. Für die 7,8 Millionen Euro wird er lebenslang zahlen.