Kampfmittelräumdienst: Alten Bomben auf der Spur

Es wird noch viele Jahre dauern, bis sämtliche Blindgänger des letzten Krieges entschärft worden sind.

Düsseldorf. Lächelnd hält Wolfgang Schiefers ein Projektil hoch. "Da drin", er zeigt auf die Spitze des vielleicht viertelmeterlangen Metallröhrchens, "sind drei Gramm Sprengstoff." Klingt nach wenig - oder? Schiefers spricht weiter: "Beim Aufschlag zerreißt der Sprengstoff das Projektil in tausende Splitter." Der weißbärtige Sprengmeister lächelt nun nicht mehr. "Für den menschlichen Körper ist schon ein Gramm Sprengstoff zuviel." Die umstehenden Journalisten lassen die Kugelschreiber klicken.

Ortstermin im Düsseldorfer Norden beim Kampfmittelräumdienst der Düsseldorfer Bezirksregierung. NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) stellt die neuen Räume der kleinen, aber wichtigen Landesbehörde vor. Seit 2005 unterliegt diese nämlich einer umfassenden Modernisierungskur. Vorher arbeiteten hier vor allem Menschen wie Schiefers, der etwas vierschrötige Sprengstoffexperte. Er kann mit markigen Sätzen vom Unterschied zwischen dem britischen und dem amerikanischen Langzeit-Fliegerbombenzünder - "an denen sind schon viele Feuerwerker gestorben" - erzählen. Heute wird ein Großteil der Arbeit der Kampfmittelbeseitiger am Computer gemacht. Mit erheblich weniger Personal.

Dabei hat die Behörde genug zu tun - auch 63 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Allein über Düsseldorf haben alliierte Flieger mehr als eine Million Bomben abgeworfen; Historiker schätzen, dass während des Kriegs über Deutschland anderthalb Millionen Tonnen Sprengstoff niedergegangen sind. Wieviel davon noch undetoniert im Boden liegt, weiß niemand. Schiefers hatte es in 34Jahren als Sprengmeister "mit allem an Munition zu tun, was der Krieg übrig gelassen hat" - von der Handgranate bis zur Zehn-Zentner-Brandbombe. "Wir werden noch viele Jahre mit diesen Überresten zu tun haben", meint Rolf Vogelbacher, der bei den Kampfmittelräumern für die Luftbildauswertung zuständig ist.

Der Ingenieur Vogelbacher ist einer der Mitarbeiter, der für das neue technische Zeitalter beim Räumdienst steht. Er und seine Kollegen werten heute am Computer mehr als 330000 Luftaufnahmen der britischen und amerikanischen Streitkräfte aus der Zeit des Krieges aus. Aus den alten Fotos werden am Bildschirm detaillierte 3D-Bilder. "Jedem Pixel wird eine Koordinate zugeordnet", erklärt Vogelbacher. Sein Monitor zeigt ein Hafenbecken in Neuss. Winzige weiße Punkte zeichnen sich zwischen dutzenden Bombentrichtern ab, für den Laien kaum zu sehen. "Hier könnten Blindgänger sein."

Früher hätte der Räumdienst nun zwei Kollegen mit Spaten und Metalldetektor losgeschickt, um das Areal zu untersuchen. Heute legt Vogelbacher das alte Luftbild millimetergenau über eine moderne Katasterkarte - um genau an den Verdachtspunkten den Untergrund mittels Erdmagnetfeldmessung auf metallische Fremdkörper zu überprüfen. Erst wenn mittels dieses geophysikalischen Messverfahrens die Sprengkörper am Computerbildschirm genau lokalisiert sind, rücken Fremdfirmen aus, um sie freizulegen. Und dann schlägt die Stunde von Schiefers und seinen Kollegen - die Entschärfung. Die ist weiterhin größtenteils Handarbeit. "An eine Bombe", sagt der 57-Jährige, "können Sie keinen Roboter ranlassen."