Kardinal Reinhard Marx Die Kirche, das Klima und der Kampf gegen Rechts

Berlin. · Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Bischofskonferenz sieht „Fridays for Future“ mit Wohlwollen und beklagt die Rückkehr zum Nationalismus und den wachsenden Rechtspopulismus.

Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, während der Bundespressekonferenz.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Es kommt nur alle zwei Jahre vor, dass sich der oberste deutsche Katholik in der Bundespressekonferenz den Fragen der Hauptstadtjournalisten stellt – am Mittwoch war es wieder soweit. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, reiste extra aus Rom an, wo derzeit noch die vom Papst einberufene Bischofssynode zum Schutz des Amazonas läuft. Es sind keine einfachen Zeiten für die Kirche, auch in Deutschland nicht. Sie sind geprägt von zahlreichen inneren Reformen, von heiklen Debatten über eine Lockerung des Zölibats, mehr Beteiligung von Frauen oder ganz konkret über die Höhe der Entschädigungszahlungen für Missbrauchsopfer. Darüber soll in einigen Monaten entschieden werden.

Vor allem jedoch wird immer öfter gefragt, ob die Kirche überhaupt noch eine gesellschaftliche Bedeutung hat. Der Wunsch nach Engagement sei ungebrochen, hielt Marx dagegen, obwohl auch er solche Fragen vernehme. Lange vor „Fridays for Future“ habe sich die katholische Kirche bereits zum Klimaschutz positioniert – so sei die viel beachtetet Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus bewusst vor der Pariser Klimakonferenz 2015 veröffentlicht worden. Mit „Wohlwollen“ sehe man daher die Jugendbewegung. Zwar gebe es auch viele Aktivisten unter dem Dach der Kirche, jedoch „vielleicht nicht so sichtbar“, räumte Marx ein. Die Bewegung sei daher eine große Chance. Wie sie genutzt werden könnte, blieb freilich offen. Jedenfalls müssten die Pariser Klimaziele umgesetzt werden. Nach wie vor kreise zu viel „um BIP und Börse“. Darauf hätten auch die Demonstranten hingewiesen.

Marx beklagt die weltweite Rückkehr zum Nationalismus

Marx beklagte insbesondere eine Rückkehr zum Nationalismus und den wachsenden Rechtspopulismus. Der Anschlag in Halle habe ihn zutiefst erschüttert. Zugleich erklärte er: „Wir lassen uns nie mehr trennen von unseren jüdischen Brüdern und Schwestern.“ Es gehe um die Zukunft der freiheitlichen Demokratie. „Ich bin unruhiger, als ich es vor zehn Jahren war“, meinte der Kardinal. Auch hier gelte: Die Stimme der Kirche sei wichtig. Dass der Anschlag gerade in Deutschland passiert sei, habe auch in Rom für „einige Unruhen“ gesorgt, berichtete Marx. Der Rechtspopulismus und der Nationalismus seien aber weltweit auf dem Vormarsch. Die Grenze zwischen „vielleicht berechtigtem Patriotismus“ und rechtsradikalem, antisemitischem und fremdenfeindlichem werde immer schwammiger. „Und das beunruhigt mich außerordentlich“, sagte Marx.

Kaum ein aktuelles Thema, zu dem Marx sich nicht äußerte. So sei das Vorgehen der Türkei in Syrien ein „klarer Bruch des Völkerrechts“.

Marx verwies auf die Nato-Mitgliedschaft der Türkei und stellte das Bündnis indirekt infrage: „Irgendwie frage ich mich dann schon: was bedeutet ein Bündnis, wenn wir hier nicht auch gemeinsam miteinander reden können?“ Er höre immer, dass die Nato nicht nur ein Verteidigungs- sondern auch ein Wertebündnis sei, sagte Marx. „Ein Wertebündnis? Da habe ich jetzt ein großes Fragezeichen.“

Er beklagte die Vertreibung unzähliger Menschen, darunter auch Christen, und kritisierte die Waffenexporte. Mit Blick auf die Seenotrettung von Flüchtlingen wiederholt er seine Einschätzung, auch das Mittelmeer dürfe „keine Grenze des Todes“ sein. Es dürfe niemand in eine Situation von Krieg und Gewalt zurückgeschickt werden.  „Die Kirche sollte nicht nur um sich selber kreisen“, betonte der Vorsitzende der Bischofskonferenz schließlich noch. Das wiederum ist wohl leichter gesagt als getan.