Karneval in aller Welt
Schunkeln in Deutschland, glamouröser Samba-Spaß in Brasilien: Beim Defilee der Sambaschulen in Rio de Janeiro sind auch dieses Jahr wieder hunderttausende dabei. Auf Haiti versucht man sich derweil von den vergangenen Katastrophen nicht die Laune verderben.
Rio de Janeiro/ Port-au-Prince. (dpa) Schrill, bunt, fantasievoll und mit heißen Samba-Rhythmen - so präsentierten sich die besten Sambaschulen Rios beim traditionellen Defilee im weltberühmten und vom legendären Architekten Oscar Niemeyer erbauten Sambódromo. Mit dabei war Brasiliens Top-Model Gisele Bündchen.
Die 30-Jährige fuhr in einem knappen goldenen Kostüm als Venus für den Verein „Vila Isabel“ hoch oben auf einem Wagen mit. "Ich werde mich nur ein bisschen bewegen. Auf dem Wagen kann man keinen Samba tanzen, wenn man nicht runterfallen will", sagte Bündchen, die noch bis kurz vor dem Auftritt die ungewohnten Sambaschritte üben musste. Ganz anders Star-Stürmer Ronaldinho (vom Verein Flamengo in Rio): Der lief bei der Schule „Portela“ mit und tanzte den Samba, als hätte er nie etwas anderes getan.
Insgesamt defilierten in der ersten Runde sechs Vereine über die 800 Meter lange Strecke an zehntausenden Zuschauern vorbei. In der VIP-Lounge einer Bierbrauerei wurden auch Ex-„Baywatch“-Star Pamela Anderson (43) und der britische Schauspieler Jude Law („Liebe braucht keine Ferien“) gesichtet, die sich aber beide nicht in den Karnevals-Trubel stürzten, sondern in einem abgetrennten Sektor blieben.
Den Auftakt machte am Sonntag um 21.00 Uhr (1.00 Uhr MEZ am Montag) die Sambaschule „São Clemente“. Mit gigantischen Motivwagen, rund 3.200 Trommlern und Tänzern in hollywoodreifen Kostümen, aber auch mit viel nackter Haut zeigte der Club eine Hommage an Rio, die „Cidade Maravilhosa“ (Wunderbare Stadt). Das Motto: „Dein, mein, unser Rio - von Gott gesegnet und schön durch die Natur.“
Vorjahressieger „Unidos da Tijuca“ brachte den Zuschauer dagegen das Gruseln („Diese Nacht hole ich Deine Seele“) bei und fuhr unter anderem mit einem riesigen Totenschiff durchs Tribünen-Stadion. Der Kampf um Rios Karnevalskrone 2011 geht in der Nacht zum Dienstag mit der zweiten Runde und weiteren sechs Sambaschulen weiter. Die Entscheidung über den Sieger fällt die Jury am Aschermittwoch.
Auf Haiti hingegen sieht die Lage ganz anders aus: gezeichnet von den Folgen des katastrophalen Erdbebens im Januar 2010 wurde am Sonntag erstmals wieder Karneval gefeiert. Unter dem Motto „Das Leben feiern“ tanzten die Menschen in Port-au-Prince zum Klang zahlreicher Musikgruppen durch die Straßen der noch immer verwüsteten Hauptstadt.
Während die einen das Beben und die Cholera, die ihr Land im vergangenen Jahr heimgesucht hatten, zum Thema machten, versuchten die meisten, beim Feiern die Katastrophen für einen Tag zu vergessen. "Wir werden tanzen, um den Leuten die Gelegenheit zum Vergessen zu geben“, sagte die 13-jährige Jocelyne, das Gesicht von bunten Pailletten bedeckt. Wegen der Trümmer des Erdbebens vom 12. Januar 2010, bei dem 220.000 Menschen ums Leben gekommen waren, musste der Festumzug von seiner traditionellen Route abweichen.
Seinen Abschluss fand er am Marsfeld, das zum Zeltlager für die Obdachlosen des Bebens geworden ist. „Wir sind froh, an diesem großen Fest teilzunehmen, wir wollen den Leuten in ihren Zelten Freude bereiten“, sagte die 15-jährige Sarafina. Ihr Bruder verlor unter den Trümmern eines eingestürzten Hauses ein Bein. Hier und da fand sich das Beben auch in den Kostümen der Karnevalisten wieder.
Doch auch die Cholera, an der seit Mitte Oktober landesweit mehr als 5.000 Menschen starben, wurde verarbeitet. So hatten sich Gary und sein Freund Jean-Jude in Schwarz und Weiß gekleidet, um den Kampf zwischen „Frau Cholera“ und „Herrn Sauber“ darzustellen, in dem sich ihr Land noch immer befinde.
Andere Hochburgen des Karnevals finden sich in der größten Stadt des US-Bundesstaates Louisiana, das 2005 durch Hurricane Katrina verwüstete New Orleans. Der sogenannte "Mardi Gras" ist der berühmteste Karneval in den USA und weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt, oder in der norditalienischen Lagunenstadt Venedig.
Karnevalsliebhaber aus aller Welt haben in Venedig den Rosenmontag mit Maskenumzügen und vielen Süßigkeiten gefeiert. Auf dem Platz Campo San Giacomo dell'Orio konnten sich die Karnevalsfreunde an Zuckerwerk besonderer Art erfreuen: Auf der kleinen Piazza im Zentrum wurden Leckereien nach Rezepten aus dem 19. Jahrhundert angeboten.
Am Nachmittag stand ein größerer Umzug auf dem Programm: Mit Maskerade und Musik sollte es durch ganz Venedig gehen. Auf der Glasbläser-Insel Murano organisierte ein Ruderverein einen „Carnevalo dello Sportivo“ (Karneval der Sportlichen). Auf dem weltberühmten Markusplatz dagegen sollte beim „Carnevale dei bambini“ die Truppe um Molino Rosenkranz die Kinder mit dem Stück „Pegasus“ unterhalten.
Der Karneval der Lagunenstadt ist 2011 fast ausschließlich dem weiblichen Geschlecht gewidmet: Unter dem Motto „Von Sissi bis Senso“ zeigte sich Venedig als „Stadt der Frauen“ in Maske, Theater, Musik und Kunst. Ein weiteres Thema war das 19. Jahrhundert - nicht nur als Epoche der Gründung der Republik Italien, die in diesem Jahr ihren 150. Geburtstag feiert, sondern auch als politischer, kultureller und sozialer Hintergrund für närrische Fantasien.
In London hat man den alljährlich "Notting Hill Carnival" aufgrund des schlechten Wetters im Vorfrühling einfach auf die Sommermonate verlegt. Der Karneval in der englischen Hauptstadt ist stark geprägt von den ehemaligen Kolonien des britischen Empires und auf den Straßen bekommt man einen ausführlichen Einblick in die Kultur der karibischen Inseln. Der seit 1964 im Londoner Nobelstadtteil Notting Hill stattfindende Karneval ist mit jährlich bis zu 1,5 Millionen Besuchern eine der größten Freiluftveranstaltungen der Welt.