Karnevalsparty – hier geht niemand als Sträfling
Kölner Jeckenprominenz sorgt im Frauenknast für ausgelassene Stimmung.
Köln. Kaum Kostüme, kein Tusch, keine Büttenreden - und doch ist Karneval. Im Kölner Knast. "Kölle alaaf - JVA alaaf - Kölle alaaf", tönt es aus dem Sitzungssaal hinter den Gefängnismauern im Stadtteil Ossendorf. Die "Gäste" schunkeln und tanzen ausgelassen, wer den Text kennt, singt laut mit - wie in jeder anderen Sitzung auch. Doch alle Jecken sind Häftlinge des Frauengefängnisses, und die Bands treten ohne Gage auf, um "etwas Stimmung von draußen" mitzubringen. Auch das Kölner Dreigestirn hält Einzug in den unterirdischen Kinosaal der Anstalt - begleitet vom Jubel der 170 weiblichen Insassen und vielen JVA-Bediensteten.
Gaby, schon seit drei Jahren hinter Gittern, freut sich über die Abwechslung im tristen Knastalltag: "Ich bin totaler Karnevalsfan, auch draußen", erzählt die 58-Jährige. "Es muss auch ohne Kölsch gehen. Das fehlt mir eigentlich nicht so." Die Spielregeln bei der ungewöhnlichen Sitzung lauten aus Sicherheitsgründen: kein Alkohol und kein Gang zur Toilette während der gut zweieinhalb Stunden. Jolanta, seit Sommer wegen Raubes im Gefängnis, feiert im knall-lila Generalskostüm, das ihr eine Freundin mitgebracht hat. "Schwarz-weißes Häftlingskostüm wär ja wohl nicht so angebracht." Bei den Kostümen macht Not erfinderisch: Blaumänner aus der JVA-Werkstatt kommen zum Einsatz, Luftschlangen und Halstücher sorgen für Farbkleckse, ein Bademantel-Gürtel wird zum Kopfschmuck, mit Kajalstift werden Katzengesichter gezaubert.
Kaum sind "Die Domstürmer" auf die Bühne gesprungen, bricht das Tanzfieber aus. Als sie "Oberaffengeil" intonieren, ist den fünf feschen Jungs die Begeisterung der weiblichen Häftlinge sicher. "Das war schon eine tolle Stimmung", sagt Sänger Michael Nauber nach dem Auftritt. "Ehrlich gesagt hatte ich Lampenfieber, weil man ja nicht wissen kann, wie dieses besondere Publikum reagiert, aber die Mädels sind gleich super mitgegangen."
Auch als Prinz Hans Georg I., Jungfrau Johanna und Bauer Bernd in vollem Ornat tanzen, brandet Applaus in dem mit Luftballons geschmückten Saal auf. "Ich weiß nicht, was das für welche sind, aber sie sind sehr lustig", sagt eine junge JVA-Insassin aus Rumänien. "Es war ein tolles Erlebnis", sagt auch der Kölner Prinz. Manche Häftlinge bleiben aber auch teilnahmslos: "Ist nicht so mein Stil, aber mal was anderes, besser als nix", sagt eine 20-Jährige, die wegen Körperverletzung verurteilt wurde. "Gerade den 14- bis 21-Jährigen aus den beiden Jugendhäusern will ich klarmachen, dass Karneval auch Kultur ist. Aber die meisten Mädels mögen eben eine ganz andere Musik", erklärt eine Bedienstete. Gut 300 Frauen sitzen derzeit insgesamt in Ossendorf ein.
Büttenreden gibt’s nicht. "Das würde nicht ankommen, schon sprachlich nicht, viele stammen nicht aus dem Rheinland oder haben einen ausländischen Hintergrund", sagt Peter Schäfer, der die Sitzung hinter Gittern organisiert hat. Für die männlichen Häftlinge wäre Fastelovend im Knast undenkbar: "Für die harten Jungs wäre das nichts. Bloß keine Regung zeigen, das geht gar nicht."
Höhepunkt der Sitzung sind "Die Höhner" mit ihrem Titel "Echte Fründe". Häftling Gaby ist begeistert: "Supergut. Aber das nächste Mal feier’ ich draußen. Im Mai spazier’ ich hier raus, und am 11.11. geht’s dann ab."