Katastrophe: Das Leben nach dem Sturm

Bis zu 10000 Menschen könnten durch den Zyklon „Sidr“ getötet worden sein. Hunderttausende haben ihre Existenz verloren.

Dhaka. Die Fischerboote sind in den Fluten versunken. Kurz vor der Ernte steht das Wasser auf den Reisfeldern meterhoch - die Pflanzen sind verendet. Mindestens 80000 Holzhütten hat der Sturm beschädigt oder zerstört. Hunderttausende Menschen in Bangladesch übernachten im Freien. Der Zyklon "Sidr" hat ihnen die Lebensgrundlage geraubt. "Betroffen sind vor allem die Ärmsten der Armen", sagt Katastrophenhelfer Peter Rottach.

Einer der Millionen Notleidenden ist der 55-jährige Bauer Sattar Gazi aus dem Dorf Nishanbari. Der Mann verlor sechs Familienmitglieder. "Ich habe Angst, dass wir restlichen drei verhungern", sagt er. Seit Tagen leben die Einheimischen ohne Wasser und Essen, während sie auf die Rettungskräfte warten.

In der Nacht zum Freitag hatte der Wirbelsturm mit Geschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern eine Schneise der Verwüstung geschlagen. Bangladesch, das zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, wird immer wieder von katastrophalen Zyklonen heimgesucht. Im Jahr 1970 starben in der Region rund 500000 Menschen. 1991 kamen 140000 Menschen ums Leben.

Die Zahl der Todesopfer könne zwischen 5000 und 10000 liegen, sagte der Leiter der Hilfsorganisation Roter Halbmond, Abdur Rab. Die Regierung hatte zuvor von mehr als 2200 Todesopfern gesprochen. Es werde mit mehreren tausend Verletzten sowie mehreren Millionen notleidenden Menschen gerechnet. Allein im am schlimmsten betroffenen südlichen Küstenbezirk Patuakhali-Barisal zählten die Helfer 5000 verletzte Menschen. In der Region seien 900000 Familien in Not, sagte der Sprecher einer Hilfsorganisation.

Tausende Rettungskräfte bargen auch gestern Leichen, die in den Flüssen und überfluteten Reisfeldern trieben. Zwei Marineschiffe und zivile Helfer suchten in den Mangrovenwäldern Überlebende. Viele Dörfer sind wegen blockierter Straßen und eingestürzter Brücken von der Außenwelt abgeschnitten.

Die EU stellte 1,5 Millionen Euro zur Verfügung, die US-Regierung rund 1,4 Millionen. Das Auswärtige Amt stockte seine Soforthilfe auf 500000 Euro auf. Weitere 200000 Euro stammen aus dem Bundesentwicklungsministerium. Hilfsorganisationen bitten um Spenden. Diesem Aufruf schloss sich gestern auch Papst Benedikt XVI. an: "Ich erneuere mein Mitgefühl für die Familien und das Land."