Katerstimmung in britischen Pubs
Kneipensterben: Wirte haben weniger Kunden, aber die Mieten steigen.
London. Im zweitältesten Gewerbe des Königreichs herrscht Katerstimmung: Jeden Tag geben mindestens vier Kneipiers ihr Geschäft auf. Die Pubs, Herz und Seele der Insel, könnten bald schon aussterben oder zu Museen vergangener Tage umgebaut werden - als Zeitzeugen einer Epoche ohne Grundstücksspekulanten, Kreditkrise und Kabelfernsehen.
30 Pubs schließen jede Woche, das hat die britische Bier- und Kneipenvereinigung in einem alarmierenden Bericht festgestellt. Vor allem verschwindet die Ur-Institution in immer rasanterem Tempo. "Letzte Runde" hieß es 2005 für 100 Kneipen, 2006 waren es schon doppelt und 2007 mehr als zehn Mal so viele Geschäftsaufgaben. Der Bierausschank liegt auf dem niedrigsten Niveau seit der Großen Depression 1930. Doch für die Flaute an den Zapfhähnen sorgen auch andere Faktoren.
In den Städten geht die klassische Kneipen-Klientel schlicht verloren: Die Arbeiterschicht, die sich früher gern zu Plausch und Pint verabredet hat, ist in England fast ausgestorben. Yuppies trinken lieber ein Glas Wein zum Fernsehfilm. Immigranten kommen oft aus religiösen Gründen nicht zur Schänke.
Den sinkenden Einnahmen stehen steigende Mieten gegenüber. Oft liegt der traditionsreiche "Weiße Hirsch" oder das "Fuchs und Hund" auf einem Filetgrundstück in Innenstadtlage. Das wissen auch die Leasingverbände, die die Brauereien als Hauptvermieter verdrängt haben. Gibt ein Londoner Gastwirt auf, schlägt die Stunde der Banken und Spekulanten: Die oft Hunderte Jahre alten Häuser werden abgerissen und an ihrer Stelle entstehen teure Eigentumswohnungen. "Die Kosten für die Gastwirte explodieren, und die Leute haben durch die Kreditkrise kaum noch Geld für ein regelmäßiges Feierabendbier", räumt Rob Hayward ein, Vorsitzender der Gastronomie-Vereinigung. Das Rauchverbot habe die missliche Lage der Gastwirte übrigens nur unwesentlich verschärft.
"Kneipenschließungen bedrohen einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt unseres Gemeinschaftslebens", sagt Hayward und verweist darauf, dass manche britischen Dörfer nach ihren Lebensmittelläden und Postämtern nun auch den letzten Treffpunkt am Ort verlieren.
Viele Wirte klammern sich angesichts dieses Cocktails ungünstiger Umstände an die Hoffnung auf laue Sommerabende, wenn Scharen von Büromenschen einen Klappstuhl unter Hängegeranien und kunstvollen Kneipenschildern suchen. Dumm nur, dass die Regierung schon zum nächsten Schlag ausholt: Sie will die Biersteuer erhöhen, um Komasäufer auszunüchtern. Vermutlich aber werden nur noch mehr Gastwirte den Kneipenschlüssel zurückgeben.